Nicht das Bandmaschinen wie die Wölfe heulen – das können sie – aber manchmal versteckt sich hinter der Fassade Unterwartetes. So bei diesem Exemplar, der RevoxA77 .
Eigentlich nur wegen der relativ seltenen Highspeedversion (also 19,5 + 38cm/sek) erstanden, verstaubte sie mit den Monaten auf dem Vintagespeicher.
Da ich für den Vater eines Freundes gerade eine Phillips N4416 auf dem Tisch hatte, dachte ich: schau Dir die Revox doch mal kurz an…….
Aufgestellt und erstmalig eingeschaltet: laute Laufgeräusch der Capstanwelle, aber erhaltene mechanische Funktionen. Überraschung beim Anschlussfeld: ordentlich verbastelte XLR (!!!) Anschlüsse. Kein Problem, dachte ich, wird auf Cinch zurückgebaut. Die Kopfhörerwiedergabe klang manierlich.
Hier das Angebotsfoto – das Gerät wechselt für knapp 100 € aus der Bucht nach Dortmund.
Einmal angefasst lies es mir dann aber doch keine Ruhe, und ich begann die Maschine in den gewohnten Schritten zu zerlegen.
Als erstes fiel mir Rost an den verschiedensten Stellen auf, die Maschine musste irgendwie feucht gestanden haben………
Dann die Überraschung nach Abnahme des Korpus. Das Innenleben sah anders aus!!
Zwei smarte Trafos links unten, darüber eine mir bis dato unbekannte Platine und eine 24V Zusatzplatine sowie zusätzliche hochwertige Audiokabel imponierten als Umbau.
Aber was sollte das sein?
Allmählich dämmerte es mir, als ich den Verlauf der Zusatzteile analysierte:
– Eingangsübertrager von Telefunken (von mir mittlerweile HOCHGESCHÄTZT)
– eine Symmetriereingangsplatine samt Netzteil auf OPA 5534 basierend
– eine Ausgangssymmetrierplatine
– Einmessung auf Studionorm
Das war was Besonderes, was dem Vorbesitzer vielleicht gar nicht klar war. Schliesslich stellte es sich als modifizierte Studiomaschine dar.
Jetzt hatte mich das Restaurierfieber wieder gepackt. Das hier war etwas Besonderes!! Aber der Rost……….
Die Glocke des Capstanmotors klingelte hörbar und lief insgesamt mit Lagergeräuschen.
Also erst Zerlegen und Tausch des hinteren Lagers gegen ein passendes geschlossenes SKF Lager.
Die ausgebaute Capstanwelle wurde hochglanzpoliert und anschliessend mit geölten Sinterlager wieder zurückgebaut.
Danach waren die Ruhelaufgeräusche schlagartig reduziert.
Der Test von Vor/Rücklauf zeigte dann erwartungsgemäss das alte Thema: Wechsel der Lager und Tausch der Motorkondensatoren.
Im nächsten Schritt Ausbau eines vollends verrosteten Einlauflagers im Banzugweg und Tausch der starren Rolle am Ausgang.
Nach sorgfältigen Reinigen der Lauf – und Bandwege sowie Entmagnetisieren der Kopfe und metallischen Einheiten im Bandzug dann der erste ernsthafte Test:
ein Masterband des saarländischen Rundfunks aus den 70ern und Musik ab bei 38cm/sek.
Das war der Hammer!!
Udo Lindenberg (nicht gerade meine Musikrichtung!!) und blaue Planeten stand sehr druckvoll und lebendig im Raum.
Sämtliche Messwerte in der Norm, noch nicht einmal mein RMG Band musste neu eingemessen werden.
Aber die Optik??
Mehrfach verbeulte untere Frontblende, krumm und schief verbaute XLR Buchsen, Schleifspuren auf der oberen Frontabdeckung, vergilbte Schalter……..
Für 30€ noch einmal die Bucht und Neueinbau der XLR Buchsen auf einer eigens gefrästen Adapterplatte.
Jetzt sah alles chic aus, und nach einigen Abenden Restauration haben der Lenco L75, die V69a, die Altecs und der AMC einen neuen Mitspieler.
Bandtechnik auf hohem Niveau, Highspeed, voll symmetrisch, Studionorm !!
Dortmund, 23.6.2017