Jetzt geht es an das Eingemachte. Und deshalb einige Bemerkungen vorweg, die wirklich wichtig sind.
Das Netzteil birgt als Schaltnetzteil
LEBENSGEFÄHRLICHE Spannungen und Ströme.
Arbeit daran setzt ausreichende Sachkenntnisse, ein vernünftiges Messequipment und jederzeitige Vorsicht und Umsicht voraus.
Alle Nachbauten oder Revisionen erfolgen auf eigene Gefahr!!!!
Netzteilplatine 1.725.830
Vor dem Ausbau unbedingt den Riesenkondensator kontrolliert entladen. Wer nicht weiss, wie man so etwas macht: Schluss mit der Revision.
Das meine ich im wahrsten Sinne des Wortes TODERNST!!
Zum Ausbau müssen neben den allfälligen M3 Schrauben eine grosse Kunststoffkonterung des Ladeelkos auf der Unterseite gelöst werden.
Auf der Platine sind folgende Bauteile fällig und zu revidieren:
– 4 Rifa Kondensatoren a 2200pF
– 1 Rifa 600pF/275V
– Elkos a 220uF/63(!!)V
– einzelne Kleinelkos
Das ist alles noch gut zu besorgen……..
Die Platine ist robust und nimmt Löt”fehler” nicht übel. Die vorhandene hatte die unterseitige Schutzfolie OHNE Distanzhalter, reichlich Flussmittelreste auf der Lötseite und einige fehlende Schrauben……..
Der Tausch selber ist unspektakulär.
Beim Rückbau VORHER die Kabelverbindungen stecken, man kommt hinterher nicht mehr an die Anschlüsse. Und beim Durchziehen der Leistungskabel aufpassen, dass man den Mantel der Kabel nicht am scharfkantigen Blech verletzt.
Und nun geht es an den herausfordernsten Teil:
Die Amp-Platine 1.725.800
Vorbemerkungen:
1. Die Platine ist EXTREM empfindlich und mechanisch nicht(!!!) zu beanspruchen. Bereits das Biegen eine TO220 Transistors hat zum Riss und Ablösen der Leitenbahn geführt – trotz aller Vorsicht.
Das Entlöten sollte idealerweise mit einer echten Entlötstation erfolgen. Der Lötkolbenkontakt muss(!!) so kurz wie möglich erfolgen.
2. Das Temperaturproblem
Schaut man sich die ausgebaute Platine von unten an, so erkennt man – auch bei sehr gut erhaltener Platine die Hitzewirkung der TREIBERTRANSISTOREN.
Hier wird es richtig heiss. Elektronisch auf das Bauteil bezogen kein Problem, aber die Platine mag es überhaupt nicht.
3. Ersatzteillage
Solange es nicht um die echten Endstufentransistoren geht, ist alles kein Problem. Sollte dort aber etwas defekt sein: schwierig, da selten und das Matchen ist ein MUSS.
Also die ganze Platine wie ein rohes Ei behandeln!!!! Bitte!
In der Sache müssen verschiedene Elko’s, ein Rifa und auf dem Bias board Trimmer u.U. getauscht werden.
Beim Entlöten und Neuverlöten ist auf die Vorbemerkungen zu achten.
Kühlkörper
In meinem Bestand fand ich noch exakt 8 Fingerkühlkörper, die ich gerne auf die TO220 schrauben wollte, um das Temperaturproblem zu begrenzen.
Die “Übeltäter” sind 4 Transistoren pro Kanal im TO220 Gehäuse, die die Revox Ingenieure bis an die Grenze des Datenblattes ausgereizt haben.
Thermisch schafft das Gerät das – meines lief mindestens 20 Jahre klaglos – aber die Amp Platine mag es nicht.
Also habe ich versucht das Problem zu begrenzen. Die Fingerkühlkörper liessen sich auf 5 der 8 Transistioren montieren, bei 3 Transistoren habe ich darauf verzichtet, da das Risiko der Leiterbahnbeschädigung zu gross war.
Und trotz aller Vorsicht ist es an zwei Stellen passiert. Da die Halbleiter zwar mit der Bahn noch zu verlöten sind, hängen sie dennoch BEDENKLICH in der Luft.
Deshalb habe ich mindest 2 Beinchen “nachverdrahtet”, um zu verhindern, dass sie sich endgültig “auslöten”….. So stehen sie wieder fest auf der Bestückungsseite.
Nun gut, nach 2 Stunden war die Amp-Platine mit der Biasplatine dann fertig.
Interessant waren Temperaturmessungen im laufenden Gerät – das kommt gleich.
Erst mal erfolgte der Rückbau mit der Heatpipe: dazu ein Tip. Das Gebilde hängt an 7 Schrauben (3 x Amp, 4 x Heatpipe). Es muss die Heatpipe also sehr genau auf dem Ampboard fixiert werden.
Wenn man es lose positioniert, kann man auf der heatipe den Punkt markieren, wo die Platine fixiert werden sollte.
Nach Fixieren und ausreichender Vor-Verlegung der Kabel, kann montiert werden. Die notwendigen Schrauben musste ich aus dem Bestand nehmen, da im hier erworbenen Verstärker ca. ein dutzend Schrauben fehlten.
Dann Wasser Marsch: alles funktioniert!!! Was für ein Moment!
Nur die Soffitten, die ich im Netz besorgt hatte, wollten partout nicht leuchten. Und das, obgleich die Spannung (+-25V) passte. Des Rätsels Lösung: sie waren zur Hälfte (3 von 5 bestellten) während des Transportes kaputt gegangen. Die 4. leuchtete dann. Aber da werde ich noch einen LED Ersatz bauen…..
Hier die ersten Meßwerte:
Auch das Nachmessen an anderen Stellen zeigt minimale Abweichungen, insgesamt also sehr erfreuliche Resultate einer angemessenen Revision.
Das Temperaturthema
Hinter mir läuft der Verstärker von CD gespeist sich ein. Normalerweise höre ich nicht so laut, aber ich möchte wissen, was da bezüglich der Temperatur nach Abgleich des Bias passiert.
Hier einige interessante Werte:
– Oberfläche des Netzteil: 41 Grad
– Heatpipe peripher: 37 Grad
– Heatpipe zentral /Platine: 40 Grad
– TO 220 Treiber MIT Kühlkörper: 45 Grad
– TO 220 ohne Kühlkörper: 85 Grad
Das gesamte Gerät mit aufgelegten Deckel wird auch bei ordentlich Betrieb so warm, wie sich der Bauch bei 39.5 Grad Fieber anfühlt.
Das wird in Zukunft keine grosse Probleme machen und das Anschaffen einer Nachbauplatine (für ca. 80€) verzichtbar machen.
Klang
Das wird vermutlich die meisten Leser am “brennesten” interessieren. Ich vermeide blumige Begriffe und kann nach wenigen Stunden das nicht abschliessend sagen.
Aber das fällt auf:
– extrem hohe Kanaltrennung
– völlig rauschfrei
– druckvolle natürliche Wiedergabe
– begrenzt wirkende Klangregelung (mit Aufholpotential, da neue Elkos auf dem Inputboard im Signalweg liegen)
– Kraft und Power ohne Ende und aus dem Nichts
Restarbeit
Die Glasabedeckung des Displays macht mir noch Gedanken. Aber das ist eine Nebensächlichkeit.
Die Nachabgleich ist noch fällig. Aber dazu lasse ich ihn erst noch mal einige Stunden laufen.
Summa summarum hat es riesig Spass gemacht, dieses gute Stück zu reanimieren.
Und so füllt sich die zweite 200er Serie auch, nun muss ich noch einen B215 Cassettenspieler finden, dann ist eine wunderbare historische Anlage wieder komplett.
Neben viel Zeit hat die gesamte Revision unter 100 € Material gekostet.
Dank
Es gibt einen youtuber, der mich sehr inspiriert hat und auch mit den wirklich wichtigen Tips nicht hinter dem Berg gehalten hat. Danke !!
Er ist unter “VE99 Online” zu finden.
Und auch Danke an den Niederländer, der das gesamte Archiv der Studer Revox Geschichte als Spiegelserver betreibt. Ohne Servicemanual geht hier nichts!!
Nachtrag
Unbedingt(!!!) nach Servicemanual neu abgleichen. Möglicherweise liegt auch hier ein Teil des Temperaturproblems begründet.
Der hier restaurierte Spieler lief auf 70mV(!!!!)Bias, statt der geforderten 10mV.
Aussserdem sollten Geräte unter der 15.000er Seriennummer auf Symmetrie abgeglichen werden, was hier prima funktionierte (Spannung über Dioden ca. 500mV).
Nach erneute Abgleich wird es nicht mehr so warm und der Verstärker spielt sehr frisch auf – übrigens auch an einer famosen MM Stufe!