TD124 – Motorrevision E50 – ein kleines Detail – Lagerkugel

An verschiedenen Stellen hatte ich schon etwas über die Revision des TD124 geschrieben.
Ich mag diese Diva, beäuge sie aber auch entsprechend…….Und manchmal zickt sie, aber selten ohne Grund. Dazu gehört das gelegentliche Testen der Motortemperatur des TD124, ob er mehr als handwarm wird…..

Und genau diese Situation trat am Wochenende an dem Spieler ein (Version TD124 MKII), dessen Motorlager ich noch nie zerlegt hatte (im Gegensatz zum MKI, der voll revidiert ist).
Er lief ja zu meiner vollen Zufriedenheit, dieser ersterworbene Reibradler……..

Was dann folgte, war sehr lehrreich, und zeigt auf’s Neue, dass Restaurierung mit aller Sorgfalt aber auch Konsequenz erfolgen sollte.
Nachfolgend zeige ich bebildert die komplette Revision und die Fallstricke.

1. Schritt: Ausbau des Motors:
Hierzu werden der Stroboskopwiderstand (grüner Anschluss) und zwei Stromanschlüsse am roten Feld des Stromverteilers abgelötet, dann kann der Motor samt Stromzufuhr (!!wichtig!!)”ausgehängt” werden.
Der Motor muss später auf dem Tisch getestet werden, deshalb muss er elektrisch komplett ausgebaut werden.

2. Schritt: Öffnen des Motors:
Dazu werden die 4 Lang-Schrauben an den Ecken gelöst, u.U. unter Zuhilfenahme von WD40 o.ä., um nicht zu viel Gewalt anzuwenden.
Der Rotor wird bei Seite gelegt, weil sich alles andere an den Lagern abspielt.

3. Schritt: Öffnen des unteren Lagers:
Dazu müssen die 2 Nieten geöffnet werden, die die beiden Lagerdeckel gegen die untere Motorschale verpressen.
Das Öffnen geht am Besten auf der Ständerbohrmaschine mit einem 3,5er Metallbohrer. Dazu muss die Niete nur von der Motoraussenseite VORSICHTIG angebohrt werden, bis sich der Kragen löst.
Dann fällt das Lager auseinander, dabei insbesondere auf die Lagerkugel achten, auf der das untere Ende der Rotorachse sich dreht.

…unterster Lagerdeckel völlig verharzt, darüber der Lagerspiegel, daneben der untere Motordeckel

 

Und hier kommen die ersten “Bescherungen”:

  • die Filzringe sind knochentrocken, alle Versuche der äußeren Schmierung sind zwecklos gewesen
    …die trockenen Filzringe mit der ausgetrockneten Lagerbuchse
  • am unteren Lagerdeckel des TD124 hat sich eine Art Sumpf gebildet, wohl aus Abrieb, alten Öl und kleinsten Metallresten bestehend.
    Dieser Bodensatz ist nur mit vorsichtiger Nutzung eines kleinen Schraubendrehers und einer harten Zahnbürste zu entfernen
    ….der Zahn der Zeit und die Wurzel des Übels
  • der Lagerspiegel hat eine erheblich – über das normal Mass hinausgehende Vertiefung
    …der gereinigte unterste Lagerdeckel zur Aufnahme von Lagerspiegel und Filz
  • die Sinterlagerbuchsen sind vollkommen trocken
  • die Lagerkugel sitzt erst einmal fest und unverrückbar im unteren Teil der Rotorachse; sie konnte nicht herausfallen 😉 ;-(

4. Schritt: Öffnen des oberen Lagers:
Mit gleichen Vorgehen wie beim unteren Lager die gleichen Bedingungen. Die Filzringe sind so trocken, dass sie “gebrochen” werden können.

5. Schritt: Polieren der Rotorachse:
Dies mache ich immer von Hand mit einer sehr speziellen Politurpaste. Es darf ja kein Material abgetragen werden, sondern die Oberfläche soll wieder verdichtet und hochglänzend werden.
Bei der Gelegenheit erfolgte dann nach mühsamer Entfernung der Kugel die Reinigung der V-förmigen Einsenkung des Rotorendes, das später eine neue Kugel aufnehmen soll.

6. Schritt: Inspektion der Lagerkugel:
Dieser Schritt ist der lehrreichste gewesen.
Schon bei dem Versuch, die 2mm messende Kugel ohne Kollateralschaden aus der Rotorachse zu bekommen, beschlich mich das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt.
Unter dem Mikroskop dann die Bestätigung:
es war auf Grund der fehlenden Schmierung zu einer Art “Kugelfrass” gekommen. Das Bild spricht für sich. Alles weitere dazu unten………

…die Lagerkugel mit erheblicher Beschädigung der Oberfläche Kugelfrass!!! Aufgelagerte Metallspäne!!!


7. Schritt: Zusammenbau unteres Lager:
Alle Teile des Lagers werden nun getauscht – ich nehme dazu die TD124 Revisions Sätze von Audiosilente.

…der TD 124 Revisionssatz von audiosilente


Das Tränken der Filze dient dem langfristigen Versorgen des Lagers mit Öl (PDP38).
Glücklicherweise sind auch neue Lagerspiegel beigelegt, die als Tausch eingesetzt werden, aber sie sind doppelt so hoch!!
Nach verschiedenen Versuchen habe ich mich entschieden, die audiosilente Lagerspiegel nicht zu verwenden, sondern den Original Thorens Lagerspiegel zu wenden 😉
Den Zusammenbau fixiere ich mit M2 Schrauben, um bei Bedarf noch einmal zu öffnen. Es können aber auch Messingnieten verwendet werden, die dem Satz ausreichend beigefügt sind.
Es fehlt eine neue Lagerkugel, die sollte aus Edelstahl oder Keramik (Si4N3) bestehen. Bezugsquellen gibts es einige, ich habe es aus dem Modellbau besorgt.
Nach Angaben von Joel B. (bekannter ehemaliger Thorens-Mitarbeiter) sollte die Kugel 2mm Durchmesser haben.

8. Schritt: Zusammenbau oberes Lager:
Ergibt sich aus 7.Schritt.

9.Schritt:  Zusammenbau des Motors:
Hier ist viel Fingerspitzegefühl und optimalerweise ein optischer Drehzahlmesser von Nöten (UNIT-T).
Mit einem winzigen tröpfchen Öl haftet die Lagerkugel auf der Rotorachse in der Vertiefung  und dieser wird in das UNTERE Lager eingeführt, dass mit 1-2 Tropfen Öl “vorgefüllt” wird.
Dann erfolgt das Aufsetzen des restlichen Motors samt Einfädeln in das obere Lager.
Alles bitte mit achtsamer Geduld und ohne Gewalt.
Dann werden die 4 Gehäuseschrauben durchgeführt und die Überwurfmuttern bis zum Beginn des “Greifens” angezogen.
Dabei sollten die Gehäusedeckel, die die Lager tragen, noch verschiebbar sein.
Unter Einhaltung der elektrischen Sicherheit wird der Motor nun an das 220V Netz angeschlossen.

Im Idealfall läuft er blitzschnell an und macht nur leise Geräusche.
Dann das Pulley aufsetzen und die nicht benutzte Riemenführung mit einem weissen Edding als Strichmarkierung versehen.

…der weisse Strich dient als Refelktor für die Drehzahlmessung

 

Der Rest ist leichter gesagt als getan. Es geht um das Setzen der Laufbuchsen und das Bewerkstelligen eines idealen Rundlaufes.

Es kursieren viel Tips, ich habe eine Mischung aus allem genommen, und den Motor damit wirklich gut justiert und sehr leise bekommen.

  • erste Messung mit dem Drehzahlmessgerät:
    der Motor sollte mit ca. 1420 – 1440 U/Min laufen.
  • die Motorschalen im laufenden Zustand sachte verschieben, bis das Laufgeräusch möglichst leise ist -> 4 Muttern um ca. 1/16(!!!) Umdrehung anziehen und Drehzahlkontrolle
  • den Motor seitlich mit 2 Fingern sachte “beklopfen”; damit setzen sich die Lagerbuchsen.
    Man hört dies an einem leiser werden des Grundgeräusches.
  • wird der Motor lauter -> Gegenseite beklopfen
  • durch das wechselseitige beklopfen und gaaaaanz langsame Anziehen der Schrauben kommt es zu einem idealen Rundlauf, der seinerzeit bei Thorens mit einer Spezialmaschine realisiert wurde.
  • sind die die Mutter nach ersten Greifen um eine 1/8 Umdrehung fixiert lasse ich den Motor 24 Stunden laufen
  • bereits nach einer Stunde erfolgt die Messung der Motortemperatur, speziell des unteren Lagers. Diese sollte idealerweise unter 40 Grad liegen
  • wenn nach 24 Stunden alles im Soll ist, werden die 4 Lang-Schrauben handfest ohne Gewalt angezogen

Und genau hier hatte mein Motor die “Mucke”. Er drehte flott an und im idealen Drehzahlbereich, auch recht leise. Aber er wurde zu heiss.

Aber vorab die Kriterien, an denen ein optimal gewarteter Motor im TD124 zu erkennen ist:

  • sofortige Anlauf ohne Verzögerung
  • Betriebstemperatur insgesamt nicht über 40 Grad, am unteren Lagerdeckel gemessen nicht über 41 Grad Celsius
  • Drehzahl zwischen 1420 und 1440 Umdrehungen/Minute
  •  nahzu lautloser und vibrationsarmer Lauf, so dass der Motor mit aufgesetzten Pulley aus 20cm unhörbar ist
  • händisches Andrehen des Motors am Pulley soll zu mindesten 3 Sekunden Nachlaufzeit führen, besser 6 Sekunden

10.: ….meine Geschichte zur Lagerkugel
Doch am Ende noch “meine Geschichte” zur Lagerkugel des unteren Lagers.
Der Motor war genau so wieder zusammengesetzt worden, wie ich es unter 9. beschrieben hatte.
Er lief mit 1440 U/Min, war nach 1 Stunde noch handwarm, und lief nach Abschalten ausreichend nach, machte aber noch leise Laufgeräusche.
Nach mehreren Stunden Dauerbetrieb war er dann wieder richtig heiss, die untere Lagerschale hatte 43 Grad Temperatur……..

Im Nachsinnen über die Ursache konnte ich es mir nur noch mit der Lagerkugel erklären. Alles andere war getauscht, elektrisch war der Motor einwandfrei.

Also noch einmal den TD124 auseinandergenommen habe ich mir die Kugel unter dem Aufsichtmikroskop angeschaut:
das passiert also, wenn ein Lager trocken läuft!!!

…die Lagerkugel mit erheblicher Beschädigung der Oberfläche Kugelfrass!!!
…diese Kugel konnte sich nicht mehr drehen!!

 

Die Rotorachse hatte die Kugel quasi rund- und abgefräst und damit den Rundlauf gekillt und dem Motor einen zusätzlichen Widerstand beschert. Was für eine Kleinigkeit und ein Mist.
Mit blossen Augen konnte ich das fast nicht erkennen………

Gemerkt habe ich es lediglich daran, dass der Nachlauf nach händischen Andrehen des Motors zu kurz zu sein schien.

Mit der Keramikkugel (1,95mm) wurde dann alles anders.

….glatt wie ein Kinderpopo, 1,982mm Durchmesser, Keramik


Bereits nach dem provisorischen Zusammenbau lief der Motor von Hand angedreht viel leichter.
Wie unter 9. beschrieben dann die Inbetriebnahme:

…alles im Soll (30 Minuten), 1336 U/min, Temperatur am Bodenblech 35,6 Grad

 

  • handwarmer Motor
  • Drehzahl 1436 U/Minute
  • 6 Sekunden Nachlauf händisch, aus dem elektrischen Betrieb sogar 25 Sekunden
  • Temperatur am unteren Lagerdeckel nach 1 Stunde 37 Grad nach 24 Stunden 39 Grad
  • noch mal leiserer und gleichmässigerer Lauf, sozusagen “flüsternd”

Der Rückbau in den Spieler ging flott, das Musikhören ist nun auch aus weiteren Gründen wirklich rumpelfrei!! Geschafft!

  • Anlaufzeit auf Nenndrehzahl: weniger als 1 Plattenumdrehung!!
  • stabiles Stroboskop <15 Sekunden
  • Laufgeräusch der Antriebseinheit >30cm unhörbar
  • Rumpeln bei aufgelegten Tonarm und laufenden Motor ohne drehenden Teller: nicht wahrnehmbar
  • Musik gewohnt direkt und “ungebremst”

Dortmund, 11.6.2019

P.S.: ....dem Beitrag war eine anregende Diskussion im AA Forum (Dietmar) vorausgegangen
P.P.S: ...Danke an Jürgen Bohn für die Beratung Gleitlager und Lagerspiegel!!
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