Einen Elektrostaten ESL57 , der mit 6000V arbeitet, restaurieren??
Vielleicht verrückt, aber warum nicht?! Ein Quad ESL57 lohnt immer!!
Und: mit Zeit und Musse ein wunderbares Projekt für Herbst- und Winterabende 😉 .
Wie fing alles mit den berühmten ESL57 an?
Auf ebay und auf ebay-kleinanzeigen hatte ich auf der Suche nach einem 2. Päärchen immer eine automatische Suche laufen.
Eines Tages tauchte dann im gleichen Ort ein defektes Paar auf, das optisch noch ansprechend erschien und auf Grund der Seriennummer noch nicht „steinalt“ war.
Beim Mitbieten war mir etwas mulmig, aber die Vorinformationen, die ich angestellt hatte, waren ganz gut.
Ein englisches Buch zum Thema „Restauration of Quad ESL57“ (Sheldon Stokes), eine hochinteressante Seite in Australien und die Vorerfahrung anderer Restaurationsergebnisse und mein DIY-Freunde machten mir Mut.
Ende Mai 2016 waren die Objekte ersteigert (weit unter dem üblichen „Vintage-Preis“) und wurden versuchsweise an die bestehende Anlage angeschlossen.
Der eine Lautsprecher hatte eine defekten Einschalter, auf dem anderen war die Sicherung kaputt.
Nach dem Tausch begann das Aufladen und erste Probehören. Gar nicht schlecht, was da kam – aber es fehlten die Höhen.
Gemessen war ab 5kHz eine 12 dB Senke und danach nichts mehr?
Da der holländische Lieferant der Hochspannungs-Unit und von Austauschpanels im letzten Jahr leider verstorben war, und mir alles andere zu teuer war, war die Restaurierung angesagt.
Mit dem Buch von Sheldon Stokes über die ESL57 ging es Schritt für Schritt los.
Vor der Beschreibung der Einzelschritte der Demontage eine ausserordentlich wichtige Bemerkung:
Der Lautsprecher wird mit einer lebensgefährlichen Spannung bis 6000V betrieben.
Das Öffnen ohne ausreichend lange Entladezeiten/Ausschaltzeiten ist lebensgefährlich.
Niemand sollte sich an das Öffnen wagen, der nicht die entsrechende Erfahrung und Qualifikation besitzt.
Sie spielen unter Umständen mit Ihrem Leben.
Lassen Sie die Quads 24 Stunden ohne Strom vor dem Öffnen!
HOCHSPANNUNG!!
Wer sich dennoch auf die virtuelle Reise des Zerlegens dieses wunderbaren Systems begeben möchte, der darf jetzt weiterlesen.
1. Demontage des Frontgrills
Der Grill ist aus gepressten dünnen Aluminium gefertigt und sollte entsprechend behandelt werden. Dellen sind nicht so leicht zu beseitigen.
Zuerst werden die Schrauben an der Unterseite entfernt (Holzschrauben) und die Masseverbindung abgenommen.
Dann sind die Zierverkleidungen an beiden Seiten abzuschrauben, um an die Klammern zu kommen, mit denen der Grill seitlich befestigt ist.
Am einfachsten geht das Aushebeln der „Büroklammern“ mit einem feinen Schlitzschraubenzieher und einer feineren Klemme.
Abschliessend muss der Grill vorsichtig aus der oberen Nut ausgehoben werden, indem er um 90 Grad „aufgeklappt wird“.
Dann ist der Blick auf die Panels – besser die Staubschutzmembranen – möglich. (siehe Bild oben)
2. Demontage der Rückfront
In ähnlicher Weise wird nun die Rückfront angegangen. Allerdings ist diese mit vielen vielen Schrauben befestigt, die sich an der Rück- und Unterseite befinden. Ein geeigneter Schltzschraubendreher oder ein kleiner Akkuschrauber können hilfreich sein.
Auch die Rückfront hat einen Masseanschluss, der entfernt werden sollte. Danach kann die Rückfront samt Dämpfungs-Roßhaar-Decke abgenommen werden. Der Blick auf die Stromeinheit der ESL57 – kurz EHT – und die Audioeinheit sind frei.
Die Rückfront sollte ebenso wie der Frontgrill sorgsam beiseite gestellt werden und zuvor von allfälligen Staub befreit werden.
Anschliessend werden die Leitungen der Basspanels und des Hochtonpanels abgelötet oder kurz entschlossen – mit ausreichender – Restlänge abgeknipst, da die Entnahme der Panels von vorne sonst nicht möglich ist.
3. Demontage der Basspanels
Es geht nun auf der Vorderseite weiter.
Zwischen den seitlichen Basspanels der ESL57 ist an der Ober- und Unterkante eine Aluminium-Distanzhalter verschraubt, der gelöst werden muss (2 kräftige Holzschrauben).
Vorsicht, wenn die Staubschutzfolien intakt sind. 1 x abgeruscht, sind sie unwiderruflich defekt.
Durch vorsichtiges seitliches „Ruckeln“ lassen sich die Basspanells vor das Hochtonpanel schieben und entnehmen.
4. Demontage des Hochtonpanels
In gleicher Weise ist das Hochtonpanel zu entnehmen.
5. Demontage der EHT Unit
Die rechts liegende EHT Einheit ist von unten mit 4 kräftigen M5 Schrauben verschraubt. Beim Lösen der letzten Schraube sollte die Einheit gehalten werden, da sie sonst in die Staubschutzfolie des rechten Basspanels rutschen kann.
Dann kann sie vorsichtig gedreht und entlötet werden (Masse Pol, Plus Pol der Bass-Panel und des Hochton-Panels.
Das Bild zeigt die breits revidierte EHT Unit!!
6. Demontage der Audiounit
Diese liegt auf der linken Gegenseite. Ebenfalls 4 kräftige M5 Schrauben sind zu lösen. Danach kann die Audio-Unit vorsicht „auf den Kopf“ gestellt werden, um die Kabel zu den Panels abzulöten.
7. Demontage der Staubschutzverkleidungen
Nach der Entnahme der kompletten Panels, müssen zur Freilegung der eigentlichen Statoreneinheiten die Staubschutzhüllen abgelöst werden.
Diese bestehen aus ultraleichten Holzrahmen, die mit einer ebenso dünnen – leicht verletzbaren – Folie bezogen sind.
Bei intakter Einheit lohnt es sich, die Staubschutzfolien sauber abzulösen.
Mittels eines scharfen Messers oder Skalpells kann die Verklebung getrennt und damit die Staubschutzpanels auf Vorder- und Rückseite entfernt werden.
Damit liegt das eigentliche Panel frei.
8. Ausbohren und Zerlegen der Hochtonpanels
Hier beginnt die knifflige und anstrengende Arbeit.
Das Hochton Panel besteht aus 2 Statoren, die durch 64 (!!) Messingnieten fest miteinander verbunden sind.
Diese Nieten gilt es zu lösen. Aber wie??
Beschrieben ist das Aufbohren mittels Ständerbohrmaschine und guten Metallbohrer.
Leider beginnen sich die Mistdinger zu drehen, sobald der Bohrdruck zu hoch wird oder der Bohrer zu klein ist.
Mit einem 3,5er Bohrer und Schneidöl habe ich die besten Erfahrungen gemacht.
Nach Anbohren der schlankeren Seite der Niete lässt sich diese durch eine kleinen Seitenschneider vorschieben und auf der Gegenseite (breiterer Kragen) ausziehen.
Aber Achtung: Das Stator-Panel nicht beschädigen, ruhig und sorgfältig arbeiten.
9. Ausbohren und Zerlegen der Basspanels
In gleicher Weise ist beim ESL57 Bass-Panel vorzugehen.
Ich habe mir übrigens die Stellen, an denen die Nieten als Stromzufuhr oder Signalzufuhr dienen, markiert. Sie dürfen NICHT aufgebohrt werden!!
Am Ende stehen dann die Staubschutzrahmen, die Statoren und die elektrischen Teile als Einzelteile zum Aufarbeiten bereit!
Erster Teil geschafft!!
Weiter geht es mit dem Aufarbeiten der verschiedenen Komponenten (Quad ESL Restaurierung II)………..