Technics Motor – Resteverwertung für einen Direkttriebler – der mm7/11

Manchmal macht es einfach Spass, dass Beste aus “Altbeständen” zu einem neuen Ganzen zusammenzuführen und das Optimum herauszukitzeln.
So ein Altbestand ist der Motor aus der Technics 1200er Serie, der auch in verschiedenen OEM Produkten verbaut war.

Technics 1200 Motor
….geschlachteter Technics Motr samt Elektronik

Als Direktantriebsmotor bietet er sich auf Grund seines Gleichlaufes und seiner Kraft und seiner flachen Bauweise als Kern eines neuen Plattenspielers an.

Einleitung

Bei der “Geburtsidee” spielte mir ein guter Freund in die Karten, der die Elektronik optimiert und auf einen 20V Antrieb modifiziert hat. Urspünglich läuft der Motor mit 12V.
Von der Drehmomenterhöhung versprach ich mir einiges…..

Ansonsten plante ich eine Version mit einem Schwenkarmausleger, um alle Arme zwischen 9 Zoll Kurzarm und 12 Zoll problemlos montieren zu können.
Die Bedienung sollte sich auf das Wesentliche beschränken, der Spieler adrett daherkommen und störunanfällig sein.
Da Motor und Teller eher leicht sind, bot sich eine Kompaktbauweise in Gehäuse -Masse gepackt an.

Es schwebte mir eine Materialmix aus Multiplex, Corian und Messing/Aluminium vor.
Das nachfolgend beschriebene Projekt stelle einen Materialwert von ca. 160 Euro dar, spielt aber klanglich in der Welt der > 1000€ Laufwerke.

Motoraufnahme

Der Technicsmotor ist in den OEM Drehern mit 3 Schrauben am Bodenchassis verschraubt und trägt die Elektronik mit. Dazu ist die Einheit aus Antrieb und Sensoren mit der Basisplatine fest verlötet.

Als Aufnahmeplatte habe ich einen massiven 10mm Alublock gewählt, der einiges an Schall-Energie der Aluteller/Motoreinheit absorbieren sollte und gleichzeitig als Aufnahme in die Multiplex/Corian Konstruktion dient.

Adapterplatte: die Gummipuffer wurde durch Edelstahl Abstandhalter ersetzt – bombenfester Stand

Dazu musste der Block passgenau auf die Schrauben des Motors und Aufnahme des Tellerlagers abgestimmt werden.

Grundchassis

Aus mehreren Kreisbögen konstruierte ich das Chassis, das am Ende aus 4 Lagen Multiplex und zwei Lagen Corian bestand.

Es musste die Auslässe für den Motor, und das Unterbringen der Elektronik berücksichtigt werden.
Bedienelemente (s.u.) fanden “in den Füssen” Unterschlupf, so dass ein funktionell und optisch harmonisch Ganzes entstanden.
Das Gesamtchassis wird von 4 langen M6 Gewindestangen gehalten, die unter Zug dem Chassis eine gewisse – aber nicht geplante – Eigenspannung verleihen.

Fusskontruktion mit Spikes

Hier habe ich auf Masse und grösse gesetzt. Die Füsse haben einen Durchmesser von 10 cm, bestehen aus 3 Lagen und schliessen nach unten mit einer Gummipufferung und M6 Spikes ab.

Spikes in M6 Ausführung

Konstruktiv hat sich das bewährt, da der Spieler am Ende erschütterungsfrei ist, und “klopfunempfindlich” ist.
Das sind gute Voraussetzungen für die Armkonstruktion und ein stabil verzahntes Motor-Tonarmkonstrukt.

Deckplatte mit Aufnahme Elektronik

Aus optischen Gründen habe ich mich für Corian in dunkelgrau entschieden, dass sehr schön mit eloxierten Aluminium und den geplanten Tonarmen harmoniert.
Die Aussenform würde von den darunter liegenden MPX Platten übernommen, aber eine Integration der Bedienelemente in Aluminiumdeckel mitgeplant.

Dazu wurden die Kabelkanäle in der 2 Corianplatte gefräst und die Deckplatte auf den Teller und die Stroboskopanzeige angepasst.

CNC Fräsung
…gefräste Kanäle für die Bedienung


Die Abdeckung der Aussenrundungen erfolgte mit 3mm Alu”Deckeln”, die dem Spieler ein symmetrisches Ganzes verleihen sollen.

Modifikation der Elektronik

Hier gilt mein ausdrücklicher Dank Björn aus HH. Er versteht sich unglaublich ausgeschlafen auf die Verbesserung bestehender Antriebe.
Im Wesentlichen hat er an folgenden Schrauben gedreht:

  • Adptation des eigentlichen Motors auf eine kleinere kompakte Adapterplatine
  • Verbindung zur Controllerplatine über ein mehradriges Kabel
  • auf der Controllerplatine Optimierung der Stromversorgung und Anhebung auf 20V (von 12V)
  • Möglichkeit der Bremsmoment-Einstellung über ein ext. Potentiometer
  • Modifikation der Stroboskopeinheit
Technics
Controllerplatine 20V, die grossen IC’s wurden ausgelötet und hier in Platinenfassungen gesetzt

Zunächst muss der Motor und die Technics IC’s aus der alten Gesamtplatine ausgelötet werden.
Hierzu habe ich vor dem Abnehmen des Motors die Ausrichtung auf dem Motor markiert (1, 2, 3)

Technics 1200 Motor Stator
….es müssen nur die 3 Halteschrauben noch gelöst werden, dann hat man den Stator in der Hand
Technics 1200 Motor Adapterplatine
…. die neue Motorplatine mit 12 adrigen Kabelanschluss
Technics Motor Käfig
……fast vergessen: der aluminiumfarbige Ring MUSS ebenfalls übertragen und verlötet werden.er fungiert als Frequenzgenerator, welcher die “Ist-Drehzahl” an die Regelung übermittelt
Technics mm7/11
….das Motorkabel wandert auf die Unterseite, da die Controllerplatine dort besser zu positionieren ist
Technics 1200 Controllerplatine
….fertig verdrahtete Platine
….problemlose Montage auf der Unterseite samt 24V DC Netzteil ……
Kaltgeräteanschluss
…..Kaltgeräteanschluss und Hauptschalter auf der rückseitigen Unterseite


Danke Björn, dass Du mir dieses Modul überlassen hast. Der Motor gewinnt erheblich!!

Der Schwenkarm

Wer einmal versucht hat, einen Arm auf einer festen Platte (Garrard, Thorens, etc.) mit exakten Abstand zu montieren, weiss, dass das alles andere als simpel ist.
Einmal nicht richtig gebohrt muss eine komplett neue Deckplatte her, und wenn man(n) mal verschiedene Arme probieren möchte, muss jedes mal neu gesägt und gefräst werden.

Anders bei einer Schwenkarmkonstruktion, wenn die Bohrung durch Schwenken eine exzentrische Bewegung um die Plattentellerachse macht.
So können alle Arme zwischen kurzen 9 Zoll Armen und überlangen 12 Zoll Armen EXAKT justiert werden.

Als Material habe ich Messing in 8mm gewählt. Die CNC Fräse hat mit einem Kobratec 6mm Dreizahnfräser das Material optimal zerspant.

MS505 auf der abgedeckten Messingplatte


Um den Arm optisch mit dem Rest des Spielers zur Deckung zu bringen, habe ich eine weitere 3mm Abdeckung auf den Messingausleger plaziert.

Zur Positionierung des Armes braucht es nun nur einen M6 Schlüssel und eine Justagehilfe. Innerhalb von Sekunden steht der Drehpunkt des Armes an der richtigen Stelle.
Einfach aber präzise!!

Schlussergebnis

Dank der BZT Portalfräse sind alle Teile passgenau entstanden und liessen sich ohne Nachkorrektur zusammenfügen.
Das ganze Konstrukt bringt 12 kg auf die Waage, was der Resonanzarmut aber dienlich ist.

Verschiedene Arme liessen sich problemlos justieren, lediglich die Einstellung der Tonarmhöhe könnte noch einen Evolutionsschritt gebrauchen.

Praktische und klangliche Beurteilung

Der Spieler ist eher puristisch; Multiplex lackiert, Corian und Aluminium eloxiert prägen das Gesamtbild.

….gefällig; edel aber nicht eitel (Spruch meiner Schwiegermama)

 

Der Motor zieht unglaublich drehmomentstark seine Runden – das Aufsetzen einer Plattenreinigungsbürste ist am Stroboskop NICHT bemerkbar!

Die Kosten im Überblick:

  • einfacher Plattenspieler als Lieferant von Teller, Motor Elektronik: 35 Euro
  • MPX 12- 15mm: Restekiste
  • Corianplatten 430 x 430mm 12mm stark: 48 Euro
  • Aluminiumplatte eloxiert 300 x 400mm: 20 Euro
  • Messingausleger 100 x 150mm 8mm stark: 21 Euro
  • Spikes M6: 24 Euro
  • diverse Taster Schalter und LED aus dem Bestand
  • modifizierte Elektronik: geschenkt  Danke Björn!!

Somit belaufen sich die Gesamtkosten auf ca. 160 Euro……..

…Einschalten und los geht es….. Blitzschnell startet der Teller

Was kann man dann klanglich erwarten? Ich habe mich überraschen lassen, hatte aber mit zunehmenden Baufortschritt ein gutes Bauchgefühl, dass sich am Ende bestätigt.

Der Spieler gibt die Musik an einem Mikro-Seiki M505 Arm samt Grado MI System souverän, bassstark, und klanglich ausgewogen wieder.
Mit dem 12 Zoll Jelco 250 samt Ortofon Valencia legt er noch mal zu!!
Mit geschlossenen Augen hat man an der neuen XONO2019 NICHT das Gefühl, einen “Billigspieler” vor sich stehen zu haben.

Der mm7/11 ist vollkommen “schockresistent” und klopfunempfindlich, Resonanzen sind trotz eines leichten Aluminiumtellers nicht wahrnehmbar, der Motor führt den Tonabnehmer souverän und über jeden Zweifel erhaben.
Es fand auch keine Überdämpfung statt, die Musik spielt flink und frei.

Offensichtlich habe ich den Wert eines Direkttriebmotors dieses Kalibers sträflich unterschätzt.
Oder anders:

in den OEM Produkten der 80er Jahre befindet sich hochwertige Mechanik und Elektronik.
Leider (oder glücklicherweise) verkauft sich das heute weit unter dem Gebrauchswert.

Quellen:

Fräse: BZT Portalfräse 430 x 560mm Arbeitsfläche
Technics Motor/Spieler: ebay Kleinanzeigen
Corian: solid-surfaces
Spikes M6: ebay
Kleinteile elektronisch: Reichelt Elektronik
Messingplatte: Metall Ehrensberger
Tonarm: Mikro Seiki MA 505
Danke an:


Björn J. für das neue Schaltungskonzept und die Inspiration neue wege zu gehen!
Maria S. für den schönen Hochzeitstag 7.November (deshalb mm7/11)und die geschmackvolle Beratung bezüglich des Design's
"Drei Musketiere", die immer wieder Neues aushecken


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