300B – der Klassiker – Tuning zu einem hochklassigen Verstärker

Wer kennt Sie nicht, die 300B?
Die Legende als Verstärkerröhre!
Bis 1980 wurde die 300B von WE (Western Elektrik) produziert, dann hatten Ihr die Halbleiter und der Rückgang der Röhrenszenerie den Garaus gemacht – vielleicht auch das Sterben des guten alten Kinos?
Diese wunderschöne Röhre hat eine grosse Fangemeinde, Originale werden mittlerweile zu astronomischen Preisen gehandelt – und seit 2020 wird sie wieder neu produziert.

Was macht den Charme dieser Röhre aus?
Schlecht in Worte zu fassen, die Dame – wenn ich Sie so bezeichnen darf – hat Ihren eigenen Klang. Und der wird geliebt – oder schlicht ignoriert.

Warum ein single ended Verstärker (7 Watt) mit dieser “alten Triode”?
Nun, der Charme derartiger Endstufen kommt gerade an den Schallwandler so richtig heraus, die ich stehen habe.
Oder um es historisch zu formulieren: die Kinoröhre der 50er – 80er trifft auf den Schallwandler der gleichen Zeit: die Altec 604.
Nur dass das Klangeerlebnis nichts mehr mit Kinoatmosphäre zu tun hat, nein diese Röhre ist grosses Kino, wenn das drum herum stimmt.

Einleitung
Originalfoto der aktuellen Western Electric Seite

Und genau damit beginnt meine eigene Geschichte. Bisher lagen hochwertige 300B Verstärker in Preisbereichen, die ich als Selbstbauer schlicht ignoriert habe.
Für mehrere 1000(!!) Euro hat man mit viel Glück das Original in der Hand – aber noch lange keinen Verstärker…..

Unterwegs als Leser verschiedener Zeitschriften und foren stiess ich dann beiläufig auf ein Thema, das mich schnell hellhörig machte, weil darin ein guter Freund “verwickelt” war, der es meisterhaft versteht, mit gezielten Eingriffen, mittelwertige Gerätschaft in High End zu wandeln.

So auch hier:
der VW Käfer bekommt den 6 Zylinder-Turbo und hängt so ziemlich alles ab, was Rang und Namen hat. Klar, lediglich ein Bild, aber es macht gut deutlich, um was es im Folgenden geht.

…der unbestückte Monoblock frisch ausgepackt

Der Beitrag drehte sich um einen schlanken, im Nagra Design daherkommenden Single Ended Verstärker, der mit einer PSvane 300B Replika bestückt zu einem fairen Preis zu erwerben ist, der so eben das verwendete Material deckt, wenn nicht sogar günstiger ist, würde man es einzeln erwerben.

Mein Freund kaufte ihn sich zum Geburtstag, um mal zu schauen, was sich im Land der aufgehenden Sonne so getan hat……
Und das war nicht schlecht! Aber es war nicht gut genug! Nein: es geht wesentlich besser. Aber der Reihe nach.

Aufbau des Monoblocks

Gut verpackt traf das Gerät bereits nach 2 Tagen ein. Sowohl der Tower als auch die Röhren (u.a. russische NOS Röhren) waren sicher verpackt.

Ein probeweiser Betrieb zeigte gleich ein Problem, dass eher oder später zur Revision geführt hätte: an hochempfindlichen Lautsprecher brummt es vernehmlich.

Der Blick unter die Haube deutete an, woran es liegen könnte.

Aber zunächst der erste positive Eindruck:

  • solider Netztrafo, abgedeckt mit 2 Trafo Hauben
  • kräftiger Ausgangsübertrager mit feinen Blechen und sauberer Wicklung
  • Netzdrossel
  • mechanisch sauberer und exakter Aufbau
  • feines Anzeigeinstrument mit schöner Beleuchtung
  • satt laufendes Alps Potentiometer mit Nagra-ähnlichen Drehknöpfen
  • solide Anschlussterminals
  • kräftige Verdrahtung
  • stabile Röhrensockel
  • gefälliges luftiges Design

eher negativer Eindruck:

  • klebrige Platine
  • die Verkabelung des Anzeigeinstrument ist offen geführt (aber elektrisch unbedenklich)
  • im Netzteil wenig wertige Gleichrichter und Dioden
  • für das Schaltungsprinzip wenig Kapazität im Netzteil
  • verbesserungsbedürftige Masseführung
  • Flugrost auf den Übertragerblechen (siehe Bild oben)
  • instabile Platine, die sich bei Röhrenwechsel biegt
  • einige Schrauben mussten ausgebohrt werden, schlechte Materialqualität
Dichtung und Wahrheit

Der Hersteller gibt technische Daten an, die im Alltagsbetrieb nicht so ganz glaubhaft erscheinen, vor allem was die Leistung (7 Watt) und das Klirrverhalten angeht.

Nun gibt es Menschen, die so einen Verstärker erst an das Messequipment anschliessen und dann erst an die Anlage. So auch hier.

Der Entwickler der späterer beschriebenen Ersatzplatine sah am Audioanalyser, dass die tatsächlichen Messwerte deutlich abseits der angegebenen technischen Daten lagen (deutlich höherer Klirr, nicht die angegebene Leistung,…..)
Die zugehörigen Diagramme erspare ich dem Leser hier, es passte einfach nicht; und die 300B kann wesentlich mehr!!

Sollte deshalb das Gerät wieder zurück?
Auf keinem Fall, schliesslich war das “Material” den Preis allemal wert.
Deshalb war das Tuning des Vorhandenen dran…..

Oder um es mit anderen Worten zu sagen: in der Gerätschaft steckt mehr, als es der erste Eindruck vermuten lässt.

Neuer Schaltungsentwurf mit steiler Treiberröhre

Der erste Schritt des Konstrukteurs war das Optimieren auf der vorhandenen Platine.
Durch Umbahnen der Masseführung, Bypasskondensatoren zu Gleichrichterdioden, Ersetzen des Standardgleichrichters und Neuberechnen der Röhrenparameter ging es zügig in Richtung Optimierung.

Aber dann stellte sich die Standardtreiberrröhre ein bisschen als Nadelöhr heraus.
Was tun? Die 300B wollte ein besseres Signal sehen!
Es sollte eine steile Röhre her, die die 300B richtig in “Wallung” bringen konnte.
Die Wahl fiel auf eine russische 6SH51P, die für sage und schreibe 1.50 Euro bei einem bekannten deutschen Elektronikversender “auf Halde” liegt (Pollin). Alternativ kann eine D3a (siehe Bemerkung unten), oder eine EL802 eingesetzt werden.

1,50Euro vor eine mehrere hundert Euro wertige Leistungstriode? Mal schauen…….

…Stromlaufplan, copyright by Bjoern J. /HH
Die adaptierte Platine

Auf Grund des veränderten Röhrentyps musste eine neue Platine her.
Der gesamte Schaltungsentwurf inclusive hochwertiger Netzteile (Schottky-Dioden mit geringen Drop) wurde auf eine neuentwickelte Platine verfrachtet, die EXAKT der vorhandenen Platine angepasst ist. Mechanisch passt Sie sich dem Original 1:1 an!!

Der Prototyp wurde per Isolationsfräsen hergestellt und nach erfolgreicher Inbetriebnahme in Kleinstserie professionell gefertig.

….die “neuen Platinen” mit Layout für die “Russin”

Hier einige Details:

…teilbestückte Platine, Stecker für sämtliche Kabelverbindungen

…die “Russin” 6SH51P, die Triodisiert betreiben wird, unten eine kleine Drossel für LC Siebung der DC Heizung der 300B
….die montierte steile Treiberröhre
unten das Original, oben die dtl. dickere und stabilere neue Platine
Aufbau der Platine nach Björn J.

Nach der Bestellung der Platinen kamen diese in kurzer Zeit per Briefpost an und frisch ausgepackt fällt als erstes die Dicke des Materials und die Steifigkeit auf. Solide Arbeit!!
Doppelseitig ausgeführt hat der Entwickler alle Regeln der Kunst genutzt, um die Masseführung zu optimieren, Signalwege kurz zu halten und der steilen Eingangsröhre eine Umgebung zu schaffen, in der sie sauber und störungsfrei läuft.

Die Bestückung klappt ohne Schwierigkeiten, einige Bauteilwerte sind durch Parallelschaltung zu erzielen, als Bauteile kommen höherwertige Kondensatoren und Röhrenfassungen zum Einsatz.

Sämtliche Bauteile sind Standard, und können z.B. bei Reichelt bezogen werden.
Alle Kabelverbindungen wurden als Steckerverbindungen (Wago-System) ausgeführt, um die Revison einfacher zu gestalten.

Das Aussteuerungsinstrument wurde zur Biasanzeige umfunktioniert, so dass die 300B konstant mit 75mA Bias läuft (unter ihrer Grenze von 100mA).

Eine wichtige Nachbemerkung: auf der Platine ist – um die Kompatibilität der Eingangsröhren zu wahren – ein kleiner Designfehler unterlaufen: unter dem Sockel der Eingangsröhre ist eine Leiterbahn, die Pin3 mit Pin9 verbindet. Diese Leiterbahn MUSS durchtrennt werden (sonst laufen die 6SH51P oder die D3a NICHT), BEVOR der Sockel verlötet wird.

Ausbau der Originalplatine

Um das Original auszubauen, muss das Gehäuse teilzerlegt werden. Kein Problem.

Einbau der bestückten Neuplatine

Diese klappt mechanisch und elektrisch ohne Probleme. Lediglich die Röhrenfassung der Treiberröhre liegt ein bisschen tiefer, was aber optisch überhaupt nicht störend ist.

…die provisorisch verbaute Neuplatine, passt PERFEKT
Die Drossel in der AC Heizung
…Siebdrossel für die DC heizung der 300B

Als direkt geheizte Triode ist die 300B anspruchsvoll, was die Heizung betrifft. Brummfreiheit kann durch Symmetrierung der Heizung erzielt werden – oder durch eine LC-Siebung.
Um die notwendigen 5V zu erzielen (was die Originalplatine NICHT leistet), wurden Schottkydioden anstellen des Gleichrichters verwendet, und die Drossel in die Siebung gesetzt.
Diese hat der Entwickler präferiert, was sich im Nachhinein als Segen auswirken sollte. Die Röhre sieht heizungstechnisch genau das, was das Datenblatt verlangt (5V und AC frei)!!

Die neuen Messwerte

Bereits der erste Blick am Audio Analyser zeigte nach der Inbetriebnahme, was passiert ist:

  • schnurgerader Frequenzgang
  • ECHTE 7 Watt
  • ein wesentlich klirrärmerer Verlauf bis Maximallast mit überwiegend K2
  • insgesamt ein stabileres Betriebsverhalten
  • Restbrumm unter 35mV
Klangeindruck an den Altec 604

Aber ich schildere hier mal nicht meinen Eindruck (wegen
Voreingenommenheit), sondern den meiner Frau und zweier meiner Kinder.

Nachdem ich alles fertig verbaut in Betríeb genommen hatte, kamen sie
unabhängig voneinander und fragten sofort, was denn mit der Anlage
passiert sei.

Es klinge so natürlich und “wie im Kino”.

Das ist interessant, da sie von dem ganzen Projekt überhaupt nichts
wussten. Also sozusagen Spontaneindruck!!
Das zählt für mich mehr, als das, was ich wahrnehme.

….die kleinen Kraftpakete an den Altec 604!
Fazit

Mit den neuen Platinen und einem optimierten Schaltungsprinzip läuft hier – gemessen am finanziellen Investment – ein hochklassiger Monoblock.
Echte 7 Watt kommen mit den Altec spielend klar und bieten selbst einer V69a (die silberne Einheit unter der Altec) sehr gut Paroli!
Die 300B hat das Zeug, zu einer Lieblingsröhre zu werden.

Quellen

Monoblock als Paar -> ebay.de
Röhrenfassungen -> Röhrenhaus Kunisch
Treiberröhre -> Pollin.de
Kleinteile und Halbleiter -> Reichelt de
Platine -> Entwurf und Realisierung Björn J./HH
Bezug der Platine -> über das AAA forum (analog-forum.de)
Dankeschön:
  • Björn für die perfekte Platine und den telefonischen Support!!!
  • Volker für das Vertriebsmanagement der Platinen!
  • AAA forum für die Ermutigung, das Projekt durchzuziehen
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