—- warum noch ein Garrard? Ist der Thorens 124 nicht gut genug?
So ähnlich darf man berechtigt fragen?!?
Aber die Beschäftigung mit dem faszinierenden Reibradprinzip stösst einen mit der Nase auf etwas, was ich genauer wissen wollte.
Während der Thorens einen Riemen hat, der über ein Stufenrad das Reibrad antreibt, macht der Garrard es anders:
— der Motor trägt das Pulley direkt auf der Achse, und das Reibrad wird so unmittelbar angetrieben.
Folge:
ein Lager weniger!
— das Reibrad ist doppelt gelagert, das des Thorens aber einzeln
— die Tellerachse sieht imponierender aus
Nun, das reichte, um der Sache nachzugehen………….
Aber die Dinger sind – auch abgerockt – sehr, sehr teuer.
Also war Geduld und Verhandlungsgeschick angesagt.
Doch dann klappte es überraschend schnell: einer mit der Öllagerung der Tellerachse mit 50000er Seriennumer und Originalpapieren zu einem fairen Preis.
…das Angebot… der Teller sieht aber mitgenommen aus….
Mit allen Unterlagen angekommen die erste Überraschung: der Motor war in England perfekt revidiert worden, er lief mustergültig leise!!
Der Rest war aber aufarbeitsbedürftig und die Zarge war nicht dabei….. Also wieder Neuland und einiges an Arbeit.
Pflichtenheft:
– schwere Zarge mit Aufnahme eines 12 Zoll und/oder 9 Zoll Armes
– Aufarbeiten des Tellers mit den Stroboskopmarken
– revidieren des Tellerlagers
– komplette Überarbeitung der bedenklich gestalteten elektrischen Versorgung
– eventueller Tausch von Reibrad und/oder Tellerlager gegen das Kokomo Kit
– entkoppelte Füsse (J.Bohn)
Nicht alle Schritte habe ich fotografisch dokumentiert, aber ich versuche es mal der Reihe nach:
Zuerst erfolgte aus Sicherheitsgründen die elektrische Revision.
Also neue Kabel zur Motorplatte, neue Erdung, Schutzleiter nach VDE, “erden” der Tellerachse……. War schnell erledigt, aber wichtig
Dann das Zerlegen des Tellerlagers, und hier eine Überraschung:
im Gegensatz zum kugel-gelagerten 10 mm Lager des Thorens, kam ein grosser Lagerspiegel und eine plan-polierte Lagerscheibe zum Vorschein. Der Teller läuft auf einigen qmm Fläche in einem Ölbad!!
Sorgfältig habe ich die Achse und die Stahllager(!!) glanzpoliert und anschliessend wieder erstaunt zusammen gebaut. Das soll vernünftig laufen??? Deshalb vielleicht die berüchtigten Geräusche, die den Reibradlern immer nachgesagt werden??
Mehr Arbeit sollte der “abgerockte Teller” machen. Etliche Lackfehler und oxidierte Stroboskopmarken führten dazu, dass ich ihn drehend nicht anschauen mochte: zu unruhig war das Laufbild. Was tun?
Kurzentschlossen habe ich ihn neu lackiert und die Stroboskopmarken behutsam mit 400er Schleifpapier wieder freigelegt.
Aber das klappe nicht gleich beim ersten Versuch, ganz ehrlich.
Die Erfahrung: keine Feile, kein gröberes Schleimpapier, möglichst mit Schleifklotz und immer den Teller sauber eingespannt. Sonst wird das nichts…..
Tja und dann die Zarge. Das ist immer Funktion und Optik, er musste ja wohnzimmertauglich werden……..
Im Netz kursieren eine Menge Templates, wie das motortragende Chassis ein oder aufgesetzt werden kann.
Heruntergeladen waren Sie aber alle nicht 1:1 ausdruckbar, also habe ich es mit der Freeware Software PosteRazor hinbekommen.
Das Übertragen und auch andere Details erfolgten händisch mit Bleistift, Zirkel und Lineal sowie Zoll Umrechnung……..
Dann habe ich mit einem sehr feinen Sägeblatt die erste Schablone aus MDF gesägt, begradigt und geschliffen. Plan war das Kopierfräsen auf Multiplex.
Das klappte hervorragend!!
Die Tonarmbasisaufnahme wurde auf der Stepcraft gefräst und ebenfalls als Kopierfräsung an die 293 mm Position der späteren Tonarmaufnahme gesetzt. Material: Alu Dibond!!
6 Lagen Multiplex (wechselnd 15mm/18mm) kamen so zusammen.
Diese würden anschliessend mit einem Rahmenspanner lagenweise verleimt.
Anschliessend erfolgte die maschinelle und händische Verfeinerung des Finish bis 800er Schleifpapier.
Da mir das Aufsetzen des Garrard optisch nicht so gefällt, habe ich eine (abnehmbare) Deckblende in “Wahlfarbe/-holz” gefertigt.
..echte Handarbeit und viel geduld
Die Tonarmbasis musste auf Grund des massiven Bronzeblocks von R.Graetke etwas tiefer gesetzt werden; so konnte der Schick 12 Zoll Tonarm aber problemlos und höhenverstellbar eingesetzt werden.
Das Oberflächenfinish erfolgte mit Schellackpolitur in ca. 15 Durchgängen und Zwischenschliff. Das kann sich optisch sehen lassen ……
Und nun etwas zum Klang:
1. der Garrard ist flüsterleise. Selbst wenn man unmittelbar daneben steht, hört man praktisch keine Laufgeräusche
2. Dank des revidierten Motors und der aufgearbeiteten Tellerachse beträgt die Anlaufzeit unter 0,5 Sekunden, das Stroboskop steht SOFORT
3. nach Montage eines “gepimpten” Denon DL103 der erste Hörtest:
— KEIN Rumpeln
— sehr direkter Klang (typisch Reibrad)
— druckvolle Bässe
— sehr schön differenzierte Mitten
— der Garrad klingt nicht – er SPIELT!!
— vollkommen klopfunempfindliche Zarge
–perfekte Entkopplung vom Rack dank der höhenverstellbaren Bohnschen Füsse
Thorens und Garrad liegen nahe beieinander, jeder mit seinem Charme.
Aber das eingangs neugierigmachende “direktere” Prinzip macht sich in einem noch einmal ruhigeren Lauf bemerkbar.
Deshalb bekommen auch beide neben einander den Platz am D3a Phonovorverstärker….
Dortmund, 26.1.2019
Quellen:
– vinylengine.com (template)
– Freeware PostRazor für Mac
– audiosilente Reibrad (http://www.audiosilente.com/garrard-3013.html)
– Kokomo Kit R.Graetke (https://www.analogtubeaudio.de/de/kokomo-kit-301-401-mk3-garrard/)
– Clearaudio Wasserwaage
– Schick Tonarm (http://thomas-schick.com/de/produkte/12-schick-arm)
– Chassis-Füsse Jürgen Bohn