EMT 930 – das Drehstromkonzept

Ein Plattenspieler mit Drehstrom?? Jetzt hat ihn das Coronavirus doch erwischt?
Könnte man denken, aber nein!!
Ein studierter und wahrlich erfahrener Elektronikingeneur sagte mal dazu:
Drehstrommotor ist top – aber betreib ihn dann auch nur am Drehstrom!
Das hatte ich mir hinter die Ohren geschrieben……..

In ruhiger werdenden Zeiten werden die Ohren gespitzt, alle anderen Sinnesorgane aber auch…..
Und die Ohren sagten mir etwas interessantes: der EMT 930 brummt in der ersten halben Stunde leise in ruhigen Passagen, in der Einlauf- und Auslaufrille. Bei Musik kein Problem, aber es stört.

 

Was ist der Hintergrund?
Der EMT Motor ist ein echter Drehstrommotor, der nicht im Dreieck sondern im Stern geschaltet ist.  Sozusagen – auch vom Erscheinungsbild – ein “powerful motor”.
Der Blick in den Stromlaufplan und der Stromanschluss zeigt eine Hilfsschaltung ,um den nahezu lautlos laufenden Motor anzutreiben. Die sogenannte Steinmetzschaltung.

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Ein Hilfskondensator erzeugt die notwendige 3. Phase, die mittels eines Lastwiderstandes und eines Leistungspotentiometers erzeugt, eingestellt und geregelt wird.

Aber:

  • bei kalten Motor herrschen in der Schaltung andere Verhältnisse als in warmen Zustand
  • bei sich ändernden Netzspannungen verschiebt sich die Hilfsspannung
  • sobald auch nur um 0,2V eine Verschiebung stattfindet, vibriert der Motor mehr oder weniger stark und erwärmt sich erheblich
  • Vibration ist auch bei perfekter Entkopplung über den Tonabnehmer wahrnehmbar

Es war wirklich spannend, diese Spannungsverhältnisse am Multimeter zu verfolgen.

Nach einigen Nachsinnen über diese Phänomene, gab es nur 2 Möglichkeiten:

  • ich stelle den Motor einmal richtig “warm” ein und lasse ihn zukünftig erst 30 Minuten warmlaufen, bevor ich Musik höre
  • oder ich stelle auf echten Drehstrombetrieb um, um Ruhe zu haben

Das Letztere ist die Grundlage dieses Beitrages.

Wie sieht die Lösung aus? Auch hier hatte ich zwei Optionen in der Schublade:

Beide Optionen werden realisiert, die schnellere ist aber die FU-Lösung. Und die beschreibe ich hier.

Der Frequenzumwandler ist grob gesprochen ein Gerät, dass den 230V Netzstrom gleichrichtet, zerhackt, und dann auf 3 x 220V auftransformiert.
Die Frequenz und Amplitude (Spannung) können gesteuert werden.
Diese Geräte gibt es auch in kleinen Leistungsklassen, und einen solchen habe ich dann für 50€ in der Bucht erworben.

Um keinen funktionellen Eingriff am EMT 930 vorzunehmen, habe ich eine Adapterplatine entwickelt, auf der 3 x 220V Relais sitzen, die wahlweise die Steinmetzschaltung oder den Frequenzumrichter aktivieren.

unten Netz und Schalter, darüber U, V, W für Steinmetz (unten) oder FU (oben)


Ein Kippschalter wählt eine der beiden Betriebsarten.
Betriebsart 1: Ursprungszustand mit Steinmetzschaltung
Betriebsart 2: Umschalten auf den FU und Stilllegen der Steinmetzschaltung

Platinenrückseite – ordentliche Sicherheitsabstände, da 230V an Bord. Und : Schutzisolationsspray


Der erworbene FU der Fa. Siemens Typ Sinamics V20, 0,125VA, passiv gekühlt, sollte von der Dimensionierung reichen.
Da dem EMT die ursprüngliche 220V/50Hz Versorgung bleibt, kann das eingebaute Stroboskop weiter verwendet werden, um Geschwindigkeit und Gleichlauf zu kontrollieren!

Doch beim Verbauen des FU sind für den HiFi Fan einige Dinge zu beachten:

  • der FU schaltet mit 8kHz
  • er entwickelt Wärme und sollte belüftet sein
  • es findet ein Rückspeisung in das Stromnetz statt
  • ungeschirmte Leitungen verschmutzen hochverstärkende Geräte (z.B. Phonovorverstärker) erheblich
  • es sind streng alle VDE Vorschriften zu beachten!!

Zu diesem Zweck habe ich den FU in ein eigenes beschirmtes und gut belüftetes Gehäuse gepackt. Von aussen gibt es eine Starttaste, eine Stoptaste und ein Potentiometer, mit dem die Drehzahl feinst geregelt werden kann (0,1 Hz Genauigkeit).
Motorgehäuse und FU Gehäuse liegen gemeinsam über kurze Strecken auf Schutzleiter, alle Leitungen sind geschirmte Netztleitungen.

…der Blick in die geschirmte Steinmetzschaltung: blau-gelb: 220V, unten ein 290 Ohm Lastwiderstand, re snkrecht stehend das 600 Ohm Lastpotentiometer, dahinter der optimierte Hilfs-Kondensator

Spannend war die Programmierung des FU und die Inbetriebnahme:

  • der Motor fährt sachte mit einer Rampe innerhalb von 10 Sekunden an, erreicht aber IMMER die exakte Nenndrehzahl (die zuletzt eingestellte)
  • der Motor ist bei Nenndrehzahl völlig lautlos und frei von Vibrationen
  • der Motor wird im Dauerbetrieb nur lauwarm und nicht mehr heiss
  • es werden keinerlei mechanische Schwingungen mehr übertragen, eine in der Auslauf- oder Einlaufrille liegende Nadel überträgt keinerlei Vibration mehr, der Motor läuft in seiner Bestimmung!!!
  • der Phonovorverstärker erlebt keine Einstrahlphänomene, er “sieht den FU” nicht (das war meine grösste Sorge)

Einzig eine Sache ist wichtig.
Beim Ausschalten muss erst der FU heruntergefahren werden, bevor die Netzspannung getrennt wird!

Akustisch hat der PS noch mehr grip – und ist endgültig frei von Nebengeräuschen.
Das Vulkollanrad ist ja ohnehin für seine Rumpelfreiheit bekannt.

Wer also dem EMT930 den letzten Schliff geben möchte: Drehstrom auf den Motor!