Manchmal ist mir das Glück hold, so geschehen mit einem Klein+Hummel Vollverstärker aus dem Ende der 60er Jahre. Ein echtes Stereogerät! Ein Zeitgenosse meines V69a Endverstärkers – aber für den “Hausgebrauch”!
Ein Freund drückte ihn mir mit den Worten in die Hand, dass er bei ihm nur verstauben würde. Seit mehr als 40 Jahren stand dieses Klein+Hummel Schätzchen unberührt in einer der berühmten Dachboden Ecken.
Einleitung
Nun ja, 2 x 12 Watt Röhre, dazu eine optisch gewöhnungsbedürftiges Erscheinungsbild, DIN-Anschlüsse, Lautsprecher Schraubklemmen, einfach Vintage.
Beim Studium der spärlich zu findenden Unterlagen dann aber die ersten Überraschungen, die mich neugierig machten, dem Schätzchen wieder auf die Sprünge zu helfen.
Röhrengleichrichtung, Vorstufen mit ECC808, Endstufe 4 x ECL82, 2 feine Ausgangsübertrager, und Zusatzfunktionen wie die heute nahezu verschwundene gehörrichtige Lautstärkeregelung,…..
Da ich wirkungsgradstarke Schallwandler betreibe, müssten die 2 x 12 Watt dicke reichen.
Und der Prospekt aus den 60er Jahren machte neugierig….. kleinundhummel_vs56
Ursprungszustand
Mein Freund warnte mich, was sich unter der Haube verstecken könnte. Mehrere Umzüge, verschiedene Dachböden, und letztlich unbenutzt lauern oft unerwartete Überraschungen.
Neben einigen Lackplatzern, einer unsauberen, verklebten Front, schwergängigen Schaltern und ablösenden Beschriftungen imponierte beim Öffnen der Staub der 40 Jahre und einiges an Kleingetier (Spinnen).
So gehört es sich, es wäre ja sonst kein Vintage.
Aber die Trafobleche und andere Metallteile waren ordentlich mit Flugrost versehen, ebenso Schrauben und Röhrenhalterungen. Das Ganze bedurfte gründlicher Aufarbeitungen.
Erstaunt hat mich die Übersichtlichkeit und Sauberkeit der “Bodenabteilung”. Feinste Freiverdrahtung, Beschriftungen, konsequente Masseführungen, excellent erhaltene Röhrenfassungen und komplett intakte Bauteile strahlten um die Wette.
Reinigungsverfahren
Zunächst habe ich das Gerät mechanisch zerlegt, ohne den massiven Stahlträger mit Netztrafo, Ausgangsübertrager, Röhrenfassungen zu demontieren.
Es lagen dann die Frontplatte, etliche Blechschrauben, die Drehknöpfe, Schirmhalterungen und Federzüge für die EL82 vor mir.
Die Frontplatte wurde zunächst mit Haushaltsreiniger gesäubert und dann mit einer milden Aluminiumpolitur überarbeitet. Der Siebdruck (Beschriftung) ist so gut, dass er unter der Politur NICHT gelitten hat.
Sicherheitshalber hatte ich aber vorher eine Fotokopie der Frontplatte gemacht, falls sie hätte nachgebildet werden müssen.
Knöpfe, Schrauben, Feder, lose Metallteile sind immer die Dinge, die ein richtiges Bad geniessen dürfen, natürlich Ultraschallbad.
Emag hat einen Reinigungszusatz für Aluminium und Druckguss im Programm, der auch “entrostend” wirkt.
Natürlich kann ein Trafo so nicht behandelt werden, und um das weitere Aufblühen der Bleche zu verhindern, wurde mit einer weichen Stahlbürste der Rost entfernt und anschliessend mit einem Rostumwandler behandelt.
Das war aber schon alles, da sich sämtliche Teile in einem mehr als ansehnlichen Zustand befanden. Halt Klein+Hummel !!
Elektrische Revision
Hier ist ein Servicemanual gut, und es ist auch noch erhältlich, wenn man bei den einschlägigen Schaltungsdiensten – z.B in der Bucht – sucht.
Von “vorbeugenden” Tausch von Bauteilen bin ich kein grosser Freund, da sich u.a. klangliche Eigenschaften ändern können.
Lediglich Elektrolytkondensatoren machen Sinn, da sie über die vielen Jahre austrocknen können. Dazu habe ich die 47uF Typen durch hochwertige Panasonic Typen ersetzt (105er Typen).
Ein Revision der Aluminiumkondensatoren war nicht erforderlich, da die Siebkette komplett in der Spezifikation lag.
Ansonsten liefen sämtliche Schalter und Potis ohne Problem, lediglich ein Drehschalter musste etwas “gängig” gemacht werden. Es ist eher ein “sattes” Dreh oder Drücken, was sich unter dem Finger abspielt. Ein haptischer Genuss!!
Zusammenbau
Der Rückbau aller zerlegten Komponenten stellt auf Grund der Übersichtlichkeit kein Problem dar. Da die Röhrenfassungen in einem neuwertigen Zustand waren, blickte ich gespannt auf die erste Inbetriebnahme.
Dazu habe ich den Spannungswähler auf 240 V gestellt (statt der noch eingestellten 220V).
Am Regeltrenntrafo hochgefahren die Überraschung:alle Röhren intakt
- problemlose Einhaltung der Spannungsspezifikation im und hinter dem Netzteil
- geringfügige Abweichungen im Bereich der Endröhren
- deutliche Abweichung der Anodenspannung an den EF808
- erstaunlich linearer Frequenzverlauf
- schöner “Kuhschwanz” bei Betätigen der Tonregler
Messungen
Hier einige Screenshots am Wandel & Goltermann NFA1.
Es sind lediglich die Kleinelko’s getauscht, sonst unberührte Technik.
Ich finde es beeindruckend, wie symmetrisch die Kanäle laufen.
Und noch einmal: alles nach mehr als 40 Jahren unbenutzen Zustandes!!
Die leichte Anhebung um 1kHz ist nicht störend und konnte so belassen werden.
Und hier die Klangregler:
Klanglicher Eindruck
Schwer zu beschreiben, am ehesten “charmant” spielt der Klein+Hummel.
Die Altecs anzutreiben, stellt kein Problem dar.
Schwieriger ist es, die Brummfreiheit zu erzielen. Dazu war und ist das SM unentbehrlich, da ja sowohl die Symmetrierung an den Endröhren als auch das “Entbrummen” der Heizungen wichtig ist.
Ausserdem haben die Massekontakte der DIN-Buchsen durch den Flugrost etwas gelitten. Ein Tausch war aber nicht notwendig.
Der V69a-Endstufe ist dieser Verstärker nicht gewachsen, aber das hatte ich auch nicht erwartet.
Aber so weit weg, wie es die Grösse des Klein+Hummel V56 vermuten liesse, ist er auch nicht.
Es klingt feinsinnig, lässt nichts weg, tut aber auch nichts dazu. Also so, wie es der obige Prospekt vermuten liess.
Und die Klangregelung und gehörrichtige Lautstärke empfinde ich als sehr angenehmes und durchaus zeitgemässes Feature!
Erstaunlich, was Klein+Hummel da bereits in meiner Kleinkinderzeit auf den Markt brachte.
Dieser kompakte Klein-Vollverstärker bekommt einen Ehrenplatz! Danke Ralph!!