Günstig sind manche Dinge – so ein Dachbodenfund Marke Revox B750 – nur auf den ersten Blick, bei genauerem Hinschauen kann es teurer werden……
So bei diesem Gerät. Erworben habe ich den wirklich gut beleumundeten Vollverstärker als Ergänzung zum B760 Tuner, der Revox B77 Bandmaschine und dem B710 Tapedeck.
Zu B750 und B77 hatte ich schon das eine oder andere veröffentlicht, und so kam ein “günstiges” Angebot in der Bucht vor 2 Jahren gerade recht.
Seit geraumer Zeit stand das “Schnäppchen” auf dem Dachboden.
Glücklicherweise hatte ich mich vor dem Kauf belesen, in wie fern noch alle Teile als Ersatzteile beschaffbar waren.
Und das sah glücklicherweise gut aus…..
Es musste eine Vorahnung gewesen sein, denn beim Aufbau der alten Anlage vor 14 Tagen liess sich der Verstärker einige Sekunden in Betrieb nehmen und dann flogen die Sicherungen (2 x 630mA)……
Mit dem Tausch der Sicherungen war es leider nicht erledigt, sondern damit ging erst richtig los.
Serviceunterlagen (öffentlicher Studer-Revox Servicemanual Ordner) besorgt, Endstufen abgehängt, Zerlegung, dann war klar: hier ist richtig etwas im Eimer.
Dabei hatte ich das Gerät versiegelt und als betriebsbereit gekauft.
Na ja, dumm gelaufen……..
Da der optische Zustand gut ist, und ich Spass an Fehlersuche und Revisionen habe, ging es ans Filettieren und die Fehlersuche.
Eigentlich war FAST alles originalbestückt (was den Kompletttausch sinnvoll machte 😀 ), und auf einer Endstufenplatine zeigte sich dann ein unheilvolles Verbasteln des/der Vorbesitzer.
Vermutlich war ein erster Revisionsversuch an diesem B750 gestartet worden und auf einer Endstufenplatine ein 100uF Elko verkehrt herum verlötet worden. Das quittierte die zugehörige lange Masseleiterbahn mit einem Abheben und dahinschmelzen unter dem Kurzschlussstrom.
Das kann passieren, aber die Behebung des Schadens samt Kollateralschaden war unprofessionell und Ursache des erneuten Ausfalls.
Die Ersatzleitung war “mal rasch” gezogen, zusätzlich aber zwischen BD139 und Kühlfläche eingeklemmt, keinerlei Rücksicht auf bisherige Leiterbahnführung…….
Ein paar Worte zur Masseführung auf diesen grossartigen Platinen der gesamten B Serie – ao uch des B750.
Es sind alles einlagige Platinen, Lötstopp und Leiterbahn sind sehr gut erhalten.
Aber:
Auslöten und neu verlöten muss ausserordentlich behutsam gemacht werden, die Haftung der Leiterbahn auf dem Epoxyd ist nicht mehr die Beste.
Bitte KEINE Entlötpumpe verwenden, sondern bei ca. 350 Grad Lötkolbentemperatur mit Entlötlitze behutsam entlöten…….
Und dann die Leiterbahnführung:
genial, sternförmige Masse, KEINE MASSEFLÄCHE.
Das Betrachten dieser tollen Bauteilplanung an sich ist schon Genuss und Nachhilfe!!
Doch zurück zur Revision:
es gibt glücklicherweise komplett zusammengestellte Revisionsbausätze B750, in denen alle Bauteile enthalten sind, die einer Alterung unterliegen oder klangverbessernd sind.
Dazu zählen insbesondere rauschärmere und schnellere Halbleitertypen und Bypasskondesatoren an klangentscheidenenden Stellen.
Besonders dankbar kann man für den Ersatz der drei Relais und der “dicken” Elkos auf der Endstufenplatine sein.
Bei den Relais ist aber Vorsicht angesagt: es müssen 24V Typen sein und nicht 12V, wie mir ursprünglich zugesandt. Die 12V Typen ziehen so viel Strom, dass das frisch restaurierte Netzteil noch einmal revidiert werden musste, da die Spannungsregler den Gesamtstrom nicht schafften……
Da kann die “Selbstbeschaffung” eine aufwändige Suche werden.
Warum dann bestimmte Teile (aus Kostengründen ??) “made in China” waren, kann ich allerdings nicht nachvollziehen.
Also habe ich auch in die eigene Bauteilkiste gegriffen, wo es mir sinnvoll und besser erschien. Es sind ja im Grossen und Ganzen “Cent”Artikel.
Revidiert wurden:
- 2 Netzteilplatinen (Elko, Spannungsregler, Gleichrichter)
- 1 Sicherheitsplatine mit Endstufen und Kopfhörerrelais
- 1 Eingangsplatine (22 Transistoren, unzählige Elkos, Dioden, Spannungsregler,…..)
- 1 Bassregelplatine (8 Transistoren, 6 Elkos, 4 Dioden)
- 1 Höhenregelplatine (8 Transistoren, 6 Elkos, 4 Dioden)
- 1 Balanceregler (10 Transistoren, 6 Elkos, 4 Dioden)
- 2 Endstufenplatinen
- 1 mainboard-platine
- sämtliche Eingangs- und Ausgangsbuchsen
Auf der Endstufenplatine des B750 ergab sich eine mechanische Herausforderung:
die Netzteilelkos sind mit Eisenstiften versehen und lassen sich nicht entlöten. Hier musste die Feinsäge ran, um zwischen Elko und Platine die Stifte zu durchtrennen. Sieht gefährlich aus, ist es aber nicht.
Beim Entlöten kommen dann übrigens wirklich versteckte Fehler zum Vorschein, bei Suche von aussen definitiv kaum zu finden sind:
- ausgelaufene Elytkondensatoren
- gerissene Kondensatoren
- Dioden mit kurzschlussverhalten (1N4148)
- kalte Lötstellen
Deshalb ist die behutsame Totalrevision sinnvoll, aber eben zeitaufwändig. Dazu später noch ein paar Worte.
Besonderes Augenmerk benötigen dann noch die Schalter, Stufenschalter, Umschalter, also die Mechanik.
Wie in der B-Serie typisch, sind diese Schalter als vergoldete Kontakte auf der “Mainboardplatine” ausgeführt.
Sollte ein Schalter nicht mehr korrekt arbeiten, liegt es an den Schleifkontakten.
Es ist unsinnig und gefährlich, die vergoldeten Leiterbahnen zu “bearbeiten” oder gar zu “polieren”. Ebenso sollte auf das Ertränken in Kontaktspray verzichtet werden. Ich bevorzuge die Reinigung im Ultraschallbad.
Sinniger ist es, die Kontakte in den Schaltern zu tauschen, was – einmal gemacht – kein Problem ist. Damit funktioniert das Schalten wieder 30 Jahre problemlos.
Auf dem Board sahen die Kontaktflächen übrigens tadellos aus. Das auch hier angewandte Ertränken in Kontaktspray von aussen war sinn – und zwecklos.
Nach der Revision aller Platinen erfolgte der Aufbau in folgender Reihenfolge:
Netzteilplatinen: – Kontrolle der Sollspannungen ↑
Sicherheitsboard: – Kontrolle der Relais und der Mutingfunktion ↑
Mainbord: gesteckte Platinen auf Sollwerte geprüft ↑
Eingangsboard: Sollspannungen, Einstellung der Trimmer nach Servicemanual ↑
Endstufenmodule: Abgleich Ruhestrom und Offset nach Servicemanual ↑
Und dann der spannende Augenblick: Wasser marsch – und er läuft nicht!!
Zwischen Eingangsmodul und “tone-mainboard” blieb das Signal auf der Strecke und bei längeren Warten wurde die Kollektorwiderstände auf dem Balanceboard und dem Filterboard sehr heiss.
Da gesteckt, konnte ich schnell mit dem SM vergleichen. Was war es??
Auf allen 4 Steckplatinen waren die Schaltdioden verpolt eingebaut. Ein weiterer dicker Bock.
Bei der Gelegenheit habe ich den Kondensator- und Halbleitertausch samt Bypass konsequent fortgesetzt. Für den BC109B kam der BC550B, für den BC179B der BC560B. Eine deutlich rauschärmere Variante……
Und dann lief der, der alte Revox B750!!
Puh, nach ca. 200 getauschten Bauteilen keine Selbstverständlichkeit.
Aber auch hier macht sich die modulare Bauweise der B-Serie bezahlt.
Man kann Stück für Stück sich voranarbeiten, und durch das Sicherungs- und Safetykonzept der Abschlussrelais ist man mehr oder weniger auf der sicheren Seite.
Fasziniert haben mich die Planungs- und Aufbaudetails, die ich ja schon von der B77 kannte. Aber hier wurde es auf die Spitze getrieben.
Einmessung? Kein Problem!! Der Ruhestrom steht stabil bei 7mV, der Offset bei 5 – 0mV, also top.
Auch die Sollspannungen an anderen Stellen weichen unter 2% von der Vorgabe ab. Genial!!
Nun spielt er sich warm, der Klang wird von Stunde zu Stunde musikalischer, es “kommt” ein echter Vintageverstärker zurück.
Und nun darf er mit seinen Zeitgenossen werkeln, wenn eines unserer Kinder zu Besuch ist und schöner Musik lauschen möchte (von Platte, Band, CD oder Cassette)…..
Vielleicht noch ein erlaubtes Nachwort, zu echten Fachleuten, die diese Geräte professionell revidieren und vom Wiederverkauf leben:
mancher Käufer wundert oder “ärgert” sich über die verlangten Preise.
Dabei sollte man(n) oder Frau aber folgendes Bedenken:
- die Ersatzteile sind mit ca. 230 Euro nicht gerade billig
- trotz ausgiebiger Restaurationserfahrung habe ich ca. 15 Stunden investiert (oder mit anderen Worten 2 Arbeitstage)
- auch ein defektes Gerät hat einen Restwert
- der Tausch des leise brummenden Originaltrafo gegen einen modernen Ringkerntrafo wäre nicht gerade billig, wollte ich einen totenstillen Revox
Nimmt man das alles zusammen, versteht man eine faire aber wirtschaftlich vertretbare Preisgestaltung, oder??
Dortmund, 2.5.2019
Quellen:
ftp Server der Fa Studer Revox
revox-online-shop.com
Elektronik Versender Ersatzteile nach SM
Nachtrag 1.8.2019:
Es gibt noch eine “pitfall”, wenn der Verstärker trotz der umfangreichen Revision bei höheren Temperaturen Störgeräusche entwickelt. Die Tantalkondensatoren an versteckten Stellen……..