Welcher Tonabnehmer “klingt” am Besten?
MM oder MC?
Leichter Arm oder schwerer Arm?
Fertiger Plattenspieler oder Laufwerk mit freier Tonarm/Tonabnehmer Kombination?
Fragen über Fragen!
Die nachfolgende Abhandlung soll der Versuch einer systematischen Annäherung unter Berücksichtigung der persönlichen Erfahrung sein.
Mit dem Kauf des ersten Plattenspielers (Thorens TD147) hatte ich keinerlei Erfahrung mit den Begriffen geschweige denn mit der dahinter steckenden Technik.
Glücklicherweise versah der Händler seinerzeit den “leichten” Tonarm (TP16) genau mit dem richtigen Tonabnehmer für ein Studenten Budget. Lange war und bin ich mit diesem MM System (DL110) glücklich.
Was hatte der Händler damals richtig gemacht?
Er kannte die Zuordnung des Tonarm (leicht-mittel-schwer), wusste den Grad der Beweglichkeit der Nadel – also die Compliance oder Schnelle, und ihm war klar, dass angesichts meines Portomanais die Kombination passte.
Damit ist das Thema eigentlich erledigt, oder?
Wenn Sie möchten, dürfen Sie aber gerne weiter lesen, weil ich versuchen möchte, alle meine nachfolgenden Erfahrungen mit Tonabnehmern und Tonarmen in einer gewissen Systematik “abzuhandeln”.
Was macht der Tonabnehmer, was macht der Tonarm, wo liegen die Einflüsse auf die Musikwiedergabe, die ja in dieser kleinen unscheinbar wirkenden Rille liegt, die uns manchmal den Nabel der (Vinyl)-Welt bedeutet?
Dazu etwas Theorie vorab.
Was wird “in die Platte” geschrieben? Ein Auszug aus Wikipedia incl. der Fotos):
Plattenschriftarten
Es gibt drei wesentliche Gravurverfahren, von denen zwei noch heute verwendet werden. Die Größe der Rille ist im Laufe der Jahre immer weiter verringert worden. Hatten Schellackplatten eine Rillenbreite von 120 µm (Normalrille), ist die heute allgemein verwendete Mikrorille unmoduliert 40 µm breit; der Rillengrund hat einen Radius von 8 μm. Der Rillenabstand beträgt hier bei linearem Vorschub ohne Verwendung von Füllschrift etwa 70 µm.
Tiefenschrift (Vertikalschrift)
Bei der von Edison und Pathé verwendeten Tiefenschrift wird die Information durch die Eintauchtiefe des Schneidstichels in die Schallplatte eingeprägt. Die Tiefe ist direkt proportional zur Amplitude des aufgezeichneten Signales. Die maximale aufzuzeichnende Amplitude ist gering, da die Eintauchtiefe nicht beliebig groß werden kann. Um hohe Frequenzen wiedergeben zu können, muss die Nadel den Vertiefungen der Rille zudem sehr schnell folgen. Um das zu erreichen, muss die Auflagekraft des Tonabnehmers vergrößert werden, was jedoch zu einem erhöhten Plattenverschleiß führt.
Seitenschrift
Bei der 1888 von Emil Berliner eingeführten Seitenschrift ist die Information in der horizontalen Auslenkung der Rille eingeprägt. Der Vorteil gegenüber der Tiefenschrift ist ein größerer Dynamikbereich und die einfachere Herstellung von Kopien. Auch ist im Gegensatz zur Tiefenschrift das Knistern deutlich reduziert. Die Seitenschrift wurde bei Grammophonen und frühen Plattenspielern verwendet. Sie ist nur für einen Kanal geeignet und lenkte bei Grammophonen über eine Stahlnadel direkt eine in einen Trichter mündende Membran aus. Beim Abspielen einer Mono-Schallplatte in Seitenschrift mit einem Stereo-Tonabnehmer wird auf beiden Wiedergabekanälen das Monosignal wiedergegeben.
Flankenschrift
Die von Alan Blumlein bereits um 1930 entwickelte, aber erst 1957 von der EMI vermarktete Flankenschrift ermöglichte erstmals monokompatible Stereo-Aufzeichnungen. Die Schallinformation für den linken und rechten Kanal wird dabei in die 45°-Flanken der Rille eingeprägt. In der innenliegenden Flanke wird dabei der linke Kanal, in der außenliegenden Rillenflanke der rechte Kanal abgespeichert. Die Richtung der Auslenkung des Schneidstichels ist beim linken und rechten Kanal gegenphasig, so dass ein Monosignal, das mit einem Stereoschneidkopf aufgezeichnet wird, eine Seitenschrift erzeugt. Dadurch ist die Abwärtskompatibilität zu Mono-Systemen gewährleistet: Wenn eine Stereo-Schallplatte auf einem Mono-Abspielgerät wiedergegeben wird, wird lediglich die horizontale Auslenkung der Rille wiedergegeben. Diese entspricht der Summe (L + R) beider Kanäle.
Alles klar?
Stark vereinfacht ausgedrückt setzt sich die Reproduktion der Schallinformation durch eine Kombination aus Auf/Ab-Bewegung und Links/Rechts-Bewegung zusammen.
Der Tonabnehmer
Das Augenmerk möchte ich nun zunächst auf den Tonabnehmer richten, der ja letztlich die mechanische Information in elektrischer Energie wandelt.
Hier kommen nun die verschiedenen Wandlerprinzipien zum Zuge:
MM (moving magnet): ein Magnet wird bewegt (in einer Spule)
MC (moving coil): eine Spule wird in einem (starken) Magnetfeld bewegt
MI (moving iron): ein Stück “Eisen” wird ähnlich wie beim MM in einem Spulenfeld bewegt. Die Besonderheit ist die Massearmut des bewegten Eisens
Den Tonabnehmer losgelöst vom Tonarm zu betrachten, ist aber nicht möglich.
Beide bilden eine Einheit und damit letzendlich ein “Feder-Masse-System”, dass das Ziel hat, dass der Tonabnehmer der Rillenschrift optimal folgen kann.
Was zeichnet nun den idealen Tonabnehmer aus?
Vermutlich gibt es dieses Ideal nicht, da – wie alles in der Musikwiedergabe – nur die Annäherung an ein Ideal ist.
Aber der Tonabnehmer sollte Voraussetzungen vorfinden, die ihm ein optimales Abtasten der o.g. Rillen ermöglicht.
Ideal heisst:
– über einen grossen Frequenzbereich
– möglichst linear
– verzerrungsarm bei hohen und tiefen Frequenzen
– Erzeugung einer ausreichend hohen Ausgangsspannung (0,1 – 4mV)
Abhängig ist der Tonabnehmer nun aber zwangsläufig von der mechanischen Führung oder der “Aufhängung”, die ihm das selbständige Laufen in der Rille ermöglicht.
Diese Aufgabe übernimmt der Tonarm.
Der Tonarm
Als Tonarmtypen gibt es grob gesprochen den
– Schwenktonarm
– Tangentialtonarm
Beide Typen haben die Aufgabe, dass der Tonabnehmer der Rille folgen kann und die mechanische Information in elektrische wandelt.
Merkmale des Tonarms sind:
– seine Länge
– sein effektives Gewicht
– die einstellbare Auflagekraft
Nun wird allmählich deutlich, dass Tonabnehmer und Tonarm IMMER als Einheit zu sehen sind.
!!Nicht jeder Tonarm passt zu jedem Tonabnehmer!!
Wenn z.B. eine Nadel “weich” in einem Tonabnehmer aufgehängt ist, das Gewicht von Tonarm und Tonabnehmer aber sehr hoch sind, “erdrückt” der Tonarm mechanisch die Fähigkeit der Nadel sich zu bewegen.
Umgekehrt funktioniert es auch nicht, eine steif aufgehängte Nadel würde an einem sehr leichten Arm über die Rille “rutschen”.
Daraus ergibt sich die Frage, welche Parameter Voraussetzung sind, dass Tonabnehmer und Arm grundsätzlich miteinander harmonieren?
Seitens des Tonabnehmers:
– das Gewicht des Tonabnehmers/Headshell
– die Schnelle oder Compliance (“weicher” oder “harter” Typ)
Seitens des Tonarms
– die effektive Tonarmmasse
Aus diesen Parameters kann errechnet werden, was passt.
Dazu kommt dann natürlich noch der persönliche Klangeindruck und die Vorlieben für MM/MI oder MC Systeme – und der Preis!!!
Meine Festlegung begann immer mit der Wahl des Armes, dann des geeigneten Tonabnehmers.
Und nun die Praxis:
Tonarm:
Woran kann der “gute” Arm festgemacht werden?
Rein praktisch am feinmechnischen Aufbau, an der Bedienbarkeit, an der Montagefreundlichkeit und an den Justagemöglichkeiten.
Feinmechanischer Aufbau:
– Länge (9Zoll oder 12 Zoll)
– Schneidenlager aus Bronze, Edelstahl oder Kunststoff
– hochwertige Kugellager/Ersatz abgerittener Kugellager
– Einpunktlagerung
– Mehrpunktlagerung
Bedienbarkeit:
– Tonarmlift
– Tonabnehmeraufnahme (SME oder EMT Adapter)
– Wechseltonarmrohr
Montage:
– Tonarmbasis
– Bohrungshilfen
– Befestigung über Platte oder grosse Mutter
Justage:
– Gewichtseinstellung
– Einstellung des Überhangs
– Einstellung der Tonarmhöhe
– Veränderung des VTA (vertical tracking angel)
– Einstellung Antiskating
Tonabnehmer:
Woran mache ich hier geeignet oder weniger geeignet ab?
– Wandlerprinzip (MM, MI, MM)
– Gewicht von Headshell und Tonabnehmer (Gesamtgewicht)
– Compliance/Schnelle
– Nadelschliff (eliptisch, Fineline, Superfineline, vandenHul, …..)
– Montagevoraussetzungen oder -freundlichkeit
Kombination:
Hier kommt nun das erste tool zum Zug, dass ich sehr empfehlen kann. Der Rechner von vinylengine.com, ob Ton-Abnehmer und Arm passen, oder sich eine kritische Resonanzfrequenz ergibt.
Praktische Umsetzung:
Beispiel 1:
an meinem EMT930 wollte ich den Serientonarm gegen einen 12 Zoll Arm tauschen, um die (vermeintlichen??) Vorteile des langlaufenden 12 Zoll Arms auszuspielen.
Meine Wahl fiel auf den mittelschweren/schweren 12 Zoll Arm von Thomas Schick.
Effektive Tonarm-Masse: 11g
Nun den Rechner in unter vinylengine angeschmissen:
Ergebnis:
Schön ist sofort zu sehen, dass der Bereich der dynamische Comliance ein eher hartes System ausgibt (8 – 26 x10-6 cm/Dyne)
Unter meinen existierenden Systemen kämen das Denon DL103R (dC 5 – Gewicht mit headshell ca. 16g), das vdHul Colibri XGP (dC 20 – Gewicht mit headshell ca. 11g) oder das SPU Ortofon Synergy (dC 8 – Gewicht mit headshell ca. 30g) in Frage.
In der Praxis laufen alle 3 System wirklich super an diesem Universal Arm modernster Technologie.
Hingegen ist der Versuch weicherer System – speziell der sehr geschätzten Pritchard System – alleine schon rechnerisch zum Scheitern verurteilt.
Deshalb habe ich mir es angewöhnt, erst zu rechnen und dann zu testen!!
Ein zweites Beispiel, um die Berechnung noch einmal deutlich zu machen.
Beispiel 2:
Auf einem Selbstbauspieler mit Direktantrieb (DUAL EDS900 Motor) sollte auf Grund des filigranen leichten Aufbaus auch ein leichter Arm laufen, in dem Fall der SME Series III, effektive MAsse 5g.
Ein famoses Stück Feinmechanik.
Aha, alles zwischen 20 – 44 x 10-6 cm/Dyne passen, also z.B. das Grace 9L, mit dC 40 Masse 6g), oder die ADC System 26, 27, ADC220 .
“Weiche” Systeme müssen ran!
Der Höreindruck gibt dem Recht.
Auf diese Art kann von der effektiven Masse des Arms kommend das passende System eingegrenzt und dann auch ausgewählt werden.
Auf diese Weise haben sich für mich folgende Tonarm-Tonabnehmerkombinationen klanglich bewährt:
– SME 3012 12 Zoll -> DL 103R(vergosssen), vdH Kolibri, SPU Standard
– Schick 12 Zoll -> SPU Synergy, vdH Kolibri, Denon DL103R, Ortofon Valencia
– Moerch -> vdH Kolibri, Ortofon Valencia
– Micro Seiki 505 -> Dynvector 10×2
– SME Series III -> ADC 35, 26, 27, Grace 9L, ADC220
– EMT929 -> EMT TSD 15
– SME 309 -> Grado Reference High Output MI
Mit diesen Info’s hoffe ich einen kleinen Leitfaden geliefert zu haben, wie man sich dem Thema Tonarm-Tonabnehmer nähern kann ohne zu vergessen, dass beides eine EINHEIT bildet.
Wie ich nun bei welchem Spieler den Arm gewählt habe, ist ein bisschen Vintage Bewusstsein, ein bisschen Fable für Technik und ein weiteres bisschen Bauchgefühl.
Aber bei der Wahl der Kombinationen rechne ich erst und baue dann auf!!