well tempered Klon – der Golfball als Tonarmlager – Modell Mozart

„Was hat ein Golfball in einem Tonarm zu suchen?“
Meinem Nachbarn – passionierter Golfspieler – fiel bei der Nachfrage nach den Eigenschaften von Golfbällen das abendliche Besteck aus der Hand, als ich ihm nach seinen aufschlussreichen Erklärungen das Prinzip des ‚well tempered‘  Arms schilderte.
‚well tempered‘ lässt sich ja mit gut gebettet übersetzen; und schon ist man bei der Lagertechnik dieses Arms:
ein (halber) Golfball ruht in einem Silikonölbad und ist lediglich an einem Faden in Form eines Dreiecks aufgehängt. Dieser Golfball ist vom Tonarm im obersten 1/5 „durchspiesst“.
Hier das Bild eines Modells aus den letzten Jahren:

Einleitung

Trotz eines sehr ungläubigen Blickes und leichten Kopfschütteln drückte mein lieber Nachbar mir einen Ball aus seiner Sammlung in die Hand – Aufdruck? Mozart!!

….Nomen est Omen?? Mal schauen, wie musikalisch der Arm wird….

Die Entwicklung des Armes geht auf die Patentschrift aus dem Jahre 1986 von William Fierbaugh zurück.

Auf der Grundlage dieses mehrfach modifizierten Ursprungspatentes sollte der Aufbau „meines“ well tempered Arms in einer 12 Zoll Carbonrohr-Version erfolgen.
Bei genauen Hinsehen ist in der Patentschrift oben rechts der Querschnitt des Golfballes zu erkennen.
Dazu die Patentschrift des Golfballes von 1902:

Der Golfball besitzt einen Hartgummikern, der ihm das Gewicht verleiht. Und das ist die Grundlage des Lagerprinzips des well tempered Arms.
Das Tonarmrohr wird in einem kompletten Ball oder an einer Montageeinrichtung eines halben Balles befestigt und schwimmt in einer Silikonflüssigkeit mit einer Viskosität von 100.000.
Ein Polyamidfaden wird in einem Dreieck über eine Art Galgen geführt und fertig ist das Lager des freihängenden Golfballs.
Die Fadenführung ist so ausgelegt, dass mit einem Dreh in der Galgenaufhängung der Azimuth verstellt werden kann (on the fly) und durch Drillen des Fadens das Antiskating.

Einzelteile des Arms

1. der halbe Golfball

Da war die Entscheidung nicht schwer, wie der gute Golball zu halbieren sei: Bandsäge und feines Barracudablatt (Fa. Hema).
Aber dazu musste erst eine Einrichtung gebaut werden, um den Ball gefahrlos zu teilen.
Es gelang ohne Schwierigkeiten und die Finger sind alle dran geblieben…….

…der halbierte Ball neben der Aufnahme – die bewusst gelassene ‚Nase‘ sorgt für die Zentrierung beim Verkleben – Hartgummi bohren ist gar nicht so easy …..

2. Golfballaufnahme und Tonarmrohrführung

50mm Aluminium und eine Bohrung in der Drehmaschine durch queres Einspannen sorgten für den Erfolg einer exakten 90 Grad Bohrung.
Eine zentrische Bohrung für eine 3mm Madeschraube auf der Oberseite fixiert den späteren Tonarm aus Carbon (8mm).
2 kleine 2mm Bohrungen werden um 90 Grad versetzt zum Tonarm angebracht, um mit 2mm Carbonhülsen den tragenden Faden aufzunehmen.

…..Tonarmträger und Ballaufnahme (Bild noch ohne Bohrungen)

3. Ablage des Tonarmes

Ein absolutes Muss, da mich die fehlende Arretierbarkeit des Schick-Tonarmes 2 Systeme gekostet hat.
Wie ein Arm ohne feste Ablage gebaut werden kann, ist mir schleierhaft. Und wenn es nur die Putzfee beim Staubwedeln ist …..

Aus POM gedreht wurde eine exzentrische 8mm Bohrung angebracht und sachte erweitert. Hier kann der Arm satt eingeklickt werden und bewegt sich nicht mehr ‚einfach so‘.
Auch dieses Bauteil ist höhenverstellbar.

….Tonarmablage aus POM

4. Tonarmlift

Den habe ich, wie beim Schröder-Klon als einziges zugekauft. Der Rega Lift ist für kleines Geld in solider Ausführung im Netz zu erwerben.

5. Lagerpfanne für das Silikonöl

Zunächst der Gedanke, das ganze Stück aus Metall zu fertigen, aber dann fiel mir beim Holz heizen ein Ahorn-Ast in die Hand, der ziemlich genau die  Abmessungen hatte, die ich bei der Planung errechnet hatte.

….1:1 Planung auf dem guten alten Papier
… ordentlich getrockneter Ahornast auf der Drehmaschine ….

Dann wurde die Carstens Drehmaschine auf Drechseln umgerüstet und im Nu war die Lagerpfanne aus Ahorn fertig.

….die gedrechselte Silikonölpfanne aus Ahorn mit dem Träger verklebt. Darunter die Basis samt Höhenverstellung….. Teflonband zur Dämpfung des Übergangs.

6. Tonarmbasis und Höhenverstellung

Es gibt Originalversionen ohne Höhenverstellung, was aber nicht in Frage kam. Also Alustange her und das Ganze aus dem Vollen gedreht.
So bleibt bei 7cm Höhe Tonarmachse über Montageebene eine Verstellmöglichkeit von immerhin 4cm (siehe Bild oben).

7. Headshell

Hier griff ich auf das Headshellprinzip des Schröderklons zurück.
Der auf 6mm abgedrehte Teil wurde mit dem Carbonrohr verklebt, der Teil, der das headshellplättchen trägt ist auf 8mm Durchmesser gedreht, dann halb geplant und anschliessend geschlitzt worden.
So kann über das Headshellplättchen problemlos die Kröpfung – z.B. – mit der Schönschablone eingestellt werden.
Die Durchverkabelung des Armes erfolgte mit HF Litze, als Stecker kamen welche aus der Kramkiste zum Zug.

8. Gegengewicht

Hier habe ich mich für ein mehrteiliges Gewicht entschieden, da ich an einem meiner PUA Arme das Vorbild hatte, und dieses ziemlich clever gelöst ist.
Auf das eigentliche Tonarmrohr wird ein verschiebbares und arretierbares schlankes langes Gegengewicht aus Metall gesetzt, darauf befindet sich verschiebbar ein zweites Gewicht, das letzlich die Auflagekraft bestimmt.
Damit kann der Arm einerseits fein austariert werden, andererseits ist die effektive Masse in Grenzen anpassbar.
Dazu wurde von einem defekten Tonarm das Gegengewicht modifiziert und einer Alu-Innen-Hülse auf das Carbonrohr angepasst.
Die Justage ist einfach:
das verschiebbare Gewicht bis zum Tonarmende schieben, die Gesamtkonstruktion ins Wasser bringen und arretieren.
Dann stehen 0g – 4g Auflagegewicht zur Verfügung.

9. Galgen zur Fadenführung

Auch hier wurde Aluminium aus dem Vollen gedreht. Um ein gewisses Spiel für die Justage über der Pfanne zu haben, wurde der Galgen ‚höhenverstellbar‘ ausgelegt.

….der zweiteilige Galgen mit Höhenverstellung

10. Tragring zur Aufnahme von Galgen, Lift, Ablage und Cinchanschluss

Dank CNC Maschine und leicht zu zerspanenden Material war der Tragring problemlos und passend gefertigt.
Die Mindestdicke für 3mm Madenschrauben wurde im zweiten Anlauf eingehalten, der erste Versuche lies den Ring beim Gewindeschneiden splittern.
Versuch macht klug…..

11. Fadenrolle

Ihr kommt eine zentrale Rolle zu, da sie den Fadenzug reguliert, und durch Drehung den Azimuth ändert, da der Tonarm um seine Achse gedreht wird.
Das „Aufziehen“ des Fadens ist in der Bedienungsanleitung der Originalarme schön beschrieben – und man sollte sich tunlichst daran halten.
Die Rolle wurde aus 20mm Alurohr gedreht und zentrisch gebohrt (8mm).
Zur sicheren Fixierung der endgültigen Position ist eine ausserhalb liegende Madenschraube M3 verbaut.

…Umlenkrolle mit aussenliegender Madenschraube
Schlussaufbau

Der Aufbau des Armes wird in der Regel als ‚fummelig‘ und ’nichts für zittrige Hände‘ beschrieben.
Also habe ich mir ausreichend Zeit genommen, und auf den Kaffee verzichtet. Das hilft!!

Es wurde der Polyamidfaden vom ersten Steckloch locker zur aufgeschobenen Rolle geführt und 2(!!)-mal um dieselbe geführt, um anschliessend auf der Gegenseite in das zweite Steckloch geführt zu werden.
Dies diente nur zur Ermittlung der ungefähren Länge, die bei mir 260mm betrug…..

Dann wurde der Faden analog der BDA zur Rolle und zweimal um diesselbe geführt. Dieser Vorgang findet ausserhalb des Galgens statt.
Dann wird die Rolle auf den Galgen geschoben und der Arm in die Mitte der Pfanne justiert.
Zuvor sorgen aber 1 oder 2 Umdrehungen des Fadens im Gegenuhrzeigersinn für das – nicht zwingend notwendige – Antiskating.
Hier ist der Benutzer auf seine Ohren oder entsprechendes Messequipment angewiesen.

Wenn der Arm nun so vorbereitet frei und zentriert und horizontal ausgerichtet über bzw. in der Pfanne hängt, kann das Silikonöl vorsichtig in die zuvor lackierte Pfanne eingefüllt werden.
Das Setzen des Materials kann einige Stunden dauern.

Zum Schluss erfolgt die Montage des Tonabnehmers und die Einstellung des Gegengewichtes wie bei allen anderen Tonarmen.

Faszinierender Folgeeffekt: der hängende Golfball zenriert sich immer exakt in die Mitte der Pfanne, aber das in Zeitlupe. Danke an Isaac Newton und die Schwerkraft!!

Klangeindruck ?

Tja, da war die Spannung gross, aber ich muss mich noch gedulden.
Es ist mir bisher keine vernünftige Lösung – ausser sehr teuren Lemosteckern – eingefallen, wie ich den Cinch-Anschluss realisieren werde.
Und es ist noch kein Silikonöl eingefüllt, da die Holzpfanne nach der Lackierung noch trocknen muss.
Aber ich werde berichten……

Hier erst noch ein paar Bilder bevor es weitergeht:

…das verschiebbare Gegengewicht, innen die Adapterhülse aus Alu
well tempered Tonarm Ansicht von hinten
Ansicht von hinten, schöner Blick auf die Ahornpfanne und den Galgen
…der Faden, der das tragende Deieck bildet
Endgültiger Fertigstellungsbericht und Klangeindruck !!

Es ist so gekommen, wie ich es erhofft hatte, und Andreas es mir auf dem Bergkamener Hörtest geschildert hatte:
der Arm ist famos und sehr musikalisch (sofern man das über die Materialien sagen kann).
Aber die Spezis wissen, was ich damit meine…… der Arm holt viel aus der Quelle heraus (siehe unten)

Die Endphase bestand zunächst in der Herstellung eines „Cinch-Terminals“ mit Erhaltung der Zerlegbarkeit des Armes.
In der Nacht hatte ich die Idee:

….12mm Adapter aus POM fertig zur Bohrung 0,8mm und einkleben von Platinenverschindungssteckern ……. So können die Käbelchen gesteckt werden!!
….in der Unschärfe an Ende des Arms das Erdungskabel, vorne das Cinchterminal

Unter der M3 Inbus-Schraube sitzt die Madenschraube, die das Cinch-Terminal in der Grundplatte hält.
Und diese merkwürige Schraube hat einen besonderen Zweck, der mit dem Stückchen HF Litze zu tun hat, was aus dem Ende des Armes zu kommen scheint.

Erdung

Bei der Inbetriebnahme brummte und sirrte es vernehmlich.
So wie nicht „geerdet“…. Aber warum erden??
Na klar, die verdrillten HF Litzen liefen im Karbonrohr ungeschirmt und auch ausserhalb ein paar Zentimeter offen. Aber kein Metall auf dem gesamten Weg, was einstrahlt??
Ich sah mich schon Alufolie um die filigranen Käbelchen wickeln, als ich versehentlich das Armrohr berührte: alles ruhig!?!?
In Chemie war ich immer eine Niete und hielt mich mehr zu den Physikern.
Karbon?? Hat doch was mit Kohle zu tun? GFK = Graphit-Filament-….?
Na klar: und aus dem Kohlebergbau wusste ich als Dortmunder um die Leit- und Zündfähigkeit des Kohlestaubs, und die Grafitbahnen auf den Potis!!??
Mit einem Karbonrohr (GFK) ist das Signal in einem ideal schirmenden „Gehäuse“ – das nur dann auch geerdet werden muss!!!
Nun hängt aber der Arm elektrisch isoliert in der Luft. Was tun??

Also habe ich kurzerhand ein Stück der Björn’schen HF-Litze abisoliert und die verzinnte Litze mit dem Stöpsel (sollte nur optische Funktion haben) AM ENDE des Tonarms gegen das Rohr gepresst.
Auf dem Ringträger war noch ein Schraubenloch frei, ein fettes Erdungskabel dorthin und es war und ist Ruhe im Karton!!
Fazit: Tonarm mit Kat und Auspuff…. Sonzusagen ein Alleinstellungsmerkmal.

Einmal tanken bitte

oder das Einfüllen des Silikonöls:
das Zeug läuft laaaangsam überall hin, nur nicht immer, wo es hin soll.
Am Ende waren es ca. 20-30ml, die mit hohen Druck aus einer Perfusorspritze ausgepresst wurden.
Mein Q-Tip Vorrat zum Wegwischen überschüssigen Materials war schnell aufgebraucht……
Und man sieht den Füllstand nur sehr schlecht, da Silikonöl transparent ist.
In der nächsten Version baue ich ein Schauglas ein 😉

…die Selbstzentrierung des Golfballs im Silikonbad

Und dann das akustische Erlebnis

Einige wenige Vorworte dazu:
– Justage mit Schön-Schablone, Überhang bis zum Ende des Headshellschlitzes
– Kröpfungswinkel nach Schön-Schablone
VTA Justage mit Sperling Messplatte und RTW-Peakmeter

– Dr.Feichert Twin Klon als Spieler
Revox-Capstan als Antrieb und Tape als „String“
– dahinter EMT 139 Replika, AVM Preline mit Röhrenausgangsstufe, Neumann 310 Studiomonitor, aktiver Absorber

1. Platte Ben Webster „old betsy“
tolle Dynamik und Räumlichkeit, hoch musikalisch – einfach zum Augenschliessen. Zupackend…

2. S+G „Centralpark concert“

die Musik springt den Zuhörer an, sehr direkt, „knallig“, man meint, dass Paul. Simon gleich Saiten reissen würden. Habe ich in der Form noch nicht wahrgenommen

3. Diana Krall „this dream of you“

Hier fiel mir etwas auf, was ich vorher nicht bemerkt hatte: es sind diskrete Unterscheide im Timbre Ihrer Stimme zu hören, vor allem vom ersten zum zweiten Titel: ein subtiles Detail.
Ansonsten Diana „hautnah“, …..

4. Klassik Sibelius „Finlandia“ mit Mackeras und dem LPO

Erster Schwachpunkt (vermeintlich): die Becken in der Mitte der Stückes klangen  verzerrt, als ob zu viel Dynamik da sei.
Aber: ich hatte die Auflagekraft nach Gefühl eingestellt. Gemessen waren es 1.2g – das System will aber mehr.
Nach der Umstellung durch leichtes Schieben des Gegengewichtes war auch das erledigt. Das Stück „overwelmed“ – besser kann ich es nicht ausdrücken

So liessen sich die ersten – sehr subjektiven – Eindrücke fortsetzen. Mein Gesamt-Eindruck bleibt:
der Arm wird seinem Ruf gerecht und reiht sich in die Gilde höherwertiger Arme ein, die Musik ausgezeichnet reproduzieren.

Und ein Letztes

Einiges an Zurückhaltung sehe ich bei folgenden Details:

– kein Arm für schnelle Systemwechsel
– die Konstruktion ist filigran und verlangt eine ruhige Hand
– eigenwillige Justage
– Silikonöl in der Nähe von Platten und Plattenspielern? Naja…..
– der relativ hohe Aufbau kann bei bestimmten Laufwerken Probleme machen
– kein Arm für schnelle Umbauten
– Transport?? No go !!

Material:

– Alu Rundmaterial 15mm und 60mm
– Ahorn Reststück gut getrocknet und rissfrei aus dem Brennholzbestand
– jede Menge M3 und M4 Madenschrauben
– Pom für Trägerplatte und Cinchterminal
– zugekaufter Tonarmlift Rega (35 €)
– 100.000er Silikonöl (100ml 22 €)
– HF Litze und RG 178 Kabel als Innen/Aussenverkabelung
– Neutrik Cinchstecker
– Polyamidfaden 0.7mm aus dem Nähkasten meiner Frau
– 2 Carbonrohre 8/6mm und 2/1mm (Aussen/Innendurchmesser) 12€

Maschinen:

Carstens Leit- und Zugspindel Drehmaschine (Bj: 1955)
CNC Drehmaschine
– Ständerbohrmaschine Flott
– Bandsäge Hema
– Verbrauchsmaterial: Paulimot

Danke:
– Manfred für den Gedanken-Anstoss, Andreas für die mündlichen Details
– meine Hififreunde im Land für das Motivieren
– meinem Freund und Nachbarn Mark (der Golfspieler)
– meiner Frau (für das Nähgarn, ihre Geduld und die gemeinsamen Hörteste)

Technische Daten:
– Bauweise: silikonölgelagerter well tempered Tonarm, höhenverstellbar
– VTA Verstellung „on the fly“
– effektive Länge: 302.4mm
– variabler Überhang und Kröpfung
– effektive Tonarmmasse in Carbonbauweise: 5.6g
– Gegengewicht: 3 teilig, verschiebbar, Gesamtgewicht 106g
– Verkabelung: HF-Litze, RG 178 Kabel, Neutrik-Stecker